Bertrams Hotel
sie deutete. Auf dieser Seite von Bertrams Hotel lag ein altmodischer Kellervorhof, tiefer gelegen als das Straßenniveau, mit einem Tor und einer kleinen Treppe, die hinunterführte. Da nur Vorratsräume dahinter lagen, wurde er nicht viel benutzt. Aber ein Mann hätte sich dort ganz bequem verstecken können.
»Haben Sie ihn nicht gesehen?«
»Nicht richtig. Er stürzte wie ein Schatten an mir vorbei. Der Nebel war ja so dicht.«
Davy nickte.
Das Mädchen begann hysterisch zu schluchzen.
»Aber wer könnte überhaupt die Absicht haben, mich zu töten? Warum sollte jemand mich umbringen wollen? Dies ist das zweite Mal. Ich verstehe nicht, warum…«
Chefinspektor Davy legte einen Arm um das Mädchen und fuhr mit der anderen Hand in seine Tasche.
Die schrillen Töne einer Polizeipfeife drangen durch den Nebel.
In der Halle von Bertrams Hotel hatte Miss Gorringe jäh von ihrem Tisch aufgeblickt.
Einige Gäste hatten ebenfalls aufgehorcht, nur die älteren, schwerhörigen hatten sich nicht gerührt.
Henry, im Begriff, ein Glas alten Brandy auf einen Tisch zu stellen, hielt abrupt in der Bewegung inne.
Miss Marple saß vornübergebeugt und hielt die Armlehnen ihres Sessels umklammert. Ein pensionierter Admiral sagte in festem Ton:
»Unfall! Zwei Wagen sind wohl im Nebel zusammengestoßen.«
Die Eingangstüren wurden aufgerissen, und herein kam ein riesiger Polizist, der überlebensgroß wirkte.
Er stützte ein Mädchen in hellem Pelzmantel. Sie schien kaum gehen zu können. Der Polizist blickte sich Hilfe suchend um.
Miss Gorringe eilte hinter ihrem Tisch hervor. Doch in diesem Augenblick kam der Lift von oben, und eine schlanke Gestalt trat heraus. Das Mädchen riss sich von dem Polizisten los und rannte ungestüm durch die Halle.
»Mutter«, rief sie, »o Mutter, Mutter…«, und warf sich schluchzend Bess Sedgwick in die Arme.
21
E s war nach Mitternacht. Polizeibeamte waren gekommen und gegangen. Ärzte waren erschienen und die Leute von der Spurensicherung. Eine Ambulanz hatte die Leiche weggeschafft, und nun war alles auf diesen einen Raum konzentriert, den Bertrams Hotel den Vertretern des Gesetzes zur Verfügung gestellt hatte. Chefinspektor Davy hatte gegenüber von Bess Sedgwick und Elvira an einem Tisch Platz genommen. An der Wand saß ein Polizist, der unauffällig Notizen machte. Sergeant Wadell war in der Nähe der Tür postiert.
Vater schaute die beiden Frauen nachdenklich an. Mutter und Tochter. Sie hatten, stellte er fest, oberflächlich betrachtet eine starke Ähnlichkeit miteinander. Er konnte verstehen, warum er einen Augenblick lang im Nebel Elvira Blake für Bess Sedgwick gehalten hatte. Aber jetzt, wo er sie direkt vor sich sah, traten die unterschiedlichen Merkmale deutlich zu Tage. Außer der Haarfarbe hatten sie wenig gemeinsam, und doch blieb der Eindruck bestehen, dass er hier eine positive und eine negative Version derselben Persönlichkeit vor sich hatte. Alles an Bess Sedgwick war positiv. Ihre Vitalität, ihre Energie, ihre magnetische Anziehungskraft. Er verehrte Lady Sedgwick schon seit Langem. Er bewunderte ihren Mut und hatte immer mit Spannung ihre kühnen Taten verfolgt.
Bei Elvira Blake, dachte er, war alles nach innen gekehrt. Bess Sedgwick hatte das Leben gemeistert, indem sie ihm ihrer Willen aufzwang. Elvira, so vermutete er, hatte eine andere Art durchs Leben zu gehen. Sie unterwarf sich. Sie gehorchte. Sie fügte sich lächelnd, und heimlich schlüpfte sie einem durch die Finger. Verschlagen, sagte er bei sich, die Tatsachen abwägend. Nur auf diese Art und Weise kann sie sich wahrscheinlich im Leben durchsetzen. Sie kann nicht mit offenen Waffen kämpfen. Deshalb haben wohl die Menschen, die sie betreuen, nie die leiseste Ahnung gehabt, was sie eigentlich im Schilde führte.
Er fragte sich, weshalb sie so spät an einem nebligen Abend zu Bertrams Hotel wollte. Diese Frage würde er bald an sie richten. Er hielt es für sehr wahrscheinlich, dass ihre Antwort nicht der Wahrheit entsprechen würde. Auf diese Weise, dachte er, verteidigt sich das arme Kind. War sie hierher gekommen, um ihre Mutter zu treffen oder sie zu finden? Es war durchaus möglich, aber er glaubte es nicht, nicht im entferntesten. Der große Rennwagen hingegen, der um die nächste Ecke herum geparkt war – der Wagen mit dem Nummernschild FAN 2266… Ladislaus Malinowski musste irgendwo in der Nähe sein, da sein Wagen hier war.
»Nun«, wandte sich Vater in seiner
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