Bertrams Hotel
schlechter«, erklärte Miss Marple. »Davon bin ich überzeugt. Er fährt einen großen Rennwagen.«
Vater blickte rasch auf. »Rennwagen?«
»Ja. Ein paar Mal habe ich ihn in der Nähe dieses Hotels stehen sehen.«
»Sie erinnern sich nicht zufällig an die Nummer?«
»O doch, FAN 2266. Ich hatte eine Kusine, die Fanny hieß«, setzte Miss Marple erläuternd hinzu. »Deshalb habe ich die Nummer behalten.«
Vater betrachtete sie ein wenig verblüfft.
»Wissen Sie, wer es ist?«, erkundigte sich Miss Marple.
»Allerdings«, sagte Vater langsam. »Halb Franzose, halb Pole. Sehr bekannter Rennfahrer. War vor drei Jahren Weltmeister. Sein Name ist Ladislaus Malinowski. In mancher Hinsicht sind Ihre Ansichten über ihn ganz zutreffend. Was Frauen angeht, genießt er einen schlechten Ruf. Mit anderen Worten, er ist kein passender Umgang für ein junges Mädchen. Aber es ist nicht leicht, in einer solchen Sache etwas zu unternehmen. Vermutlich trifft sie sich heimlich mit ihm. Hab ich Recht?«
»Das ist anzunehmen.«
»Haben Sie sich schon an ihren Vormund gewandt?«
»Ich kenne ihn nicht. Durch eine gemeinsame Bekannte ist er mir einmal vorgestellt worden, das ist alles. Und ich möchte lieber nicht als Klatschtante an ihn herantreten. Ich hatte im Stillen gehofft, dass Sie vielleicht etwas tun können.«
»Ich kann’s versuchen«, sagte Vater. »Übrigens wird es Sie vielleicht interessieren, dass Ihr Freund, Kanonikus Pennyfather wieder aufgetaucht ist.«
»Wirklich?« Miss Marple sah ganz aufgeregt aus. »Wo denn?«
»In einem Dorf, Milton St. John.«
»Wie sonderbar! Was hat er denn dort gemacht? Konnte er sich darauf besinnen?«
»Scheinbar« – Chefinspektor Davy betonte das Wort – »hat er einen Unfall erlitten.«
»Was für einen Unfall?«
»Von einem Auto angefahren, Gehirnerschütterung – er könnte natürlich auch einen Schlag auf den Kopf bekommen haben.«
»Ach so.« Miss Marple dachte nach. »Weiß er selbst es denn nicht?«
»Er behauptet, er wisse gar nichts.«
»Sehr merkwürdig.«
»Nicht wahr? Das Letzte, woran er sich erinnern kann, ist, dass er in einem Taxi nach Kensington zur Flughafenabfertigung fuhr.«
Miss Marple schüttelte verdutzt den Kopf.
»Ich weiß, so etwas kommt bei Gehirnerschütterungen vor«, murmelte sie. »Hat er gar nichts geäußert, was einen Hinweis geben könnte?«
»Er murmelte etwas von den Mauern von Jericho.«
»Josua?«, fragte Miss Marple zaghaft. »Oder Archäologie-Ausgrabungen?«
»Während dieser ganzen Woche bringen die Gaumont-Kinos nördlich der Themse: Die Mauern von Jer i cho«, sagte Vater.
Miss Marple blickte ihn misstrauisch an.
»Er hätte sich den Film in der Cromwell Road ansehen können. Dann wäre er gegen elf herausgekommen und anschließend hierher zurückgekehrt. Aber in dem Falle hätte ihn jemand sehen müssen – denn es wäre ja noch lange vor Mitternacht gewesen.«
»Ist wahrscheinlich in den falschen Bus gestiegen«, schlug Miss Marple vor. »Oder so etwas Ähnliches…«
»Sagen wir mal, er ist nach Mitternacht hier eingetroffen«, meinte Vater. »Dann hätte er auf sein Zimmer gehen können, ohne gesehen zu werden. – Aber wenn diese Vermutung zutrifft, was geschah dann? Und warum hat er das Hotel drei Stunden später wieder verlassen?«
Miss Marple suchte nach einer Erklärung.
»Die einzige Idee, die mir einfällt – oh!«
Sie fuhr zusammen. Draußen auf der Straße ertönte ein Knall.
»Fehlzündung«, sagte Vater beruhigend.
»Verzeihen Sie, dass ich so schreckhaft bin – ich bin heute Abend nervös – dies Gefühl, das man so hat…«
»Dass etwas passieren wird? Ich glaube, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
»Nebel war mir schon immer unheimlich.«
»Sie haben mir sehr geholfen«, bemerkte Chefinspektor Davy. »Die Dinge, die Sie hier beobachten – wenn’s auch nur Kleinigkeiten waren –, haben das Bild abgerundet.«
»In diesem Hotel stimmt also doch etwas nicht, wie?«
»Hier stimmt vieles nicht.«
Miss Marple seufzte.
»Zuerst erschien es so wunderbar – alles so unverändert. Wissen Sie – es war, als kehrte man in die Jugendzeit zurück – in eine Zeit, die man geliebt und genossen hatte.«
Sie ließ eine Pause eintreten. Dann fuhr sie fort:
»Nun, es schien alles in bester Ordnung zu sein – aber es war nicht so. Es war ein regelrechter Mischmasch – wirkliche Personen und solche, die nicht echt waren. Man konnte sie nicht immer unterscheiden.«
»Was verstehen
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