Bertrams Hotel
ist absurd«, sagte Lady Sedgwick in scharfem Ton, »völlig absurd! Ich habe noch nie von einer so plumpen Methode gehört.«
Chefinspektor Davy machte eine leicht abwehrende Geste. »Bitte«, sagte er und wandte sich dann wieder Elvira zu. »Nun, ich finde das alles sehr interessant, Miss Blake. Und Sie haben der Contessa auch dann nicht davon berichtet?«
»O nein. Sie hätte ein schreckliches Theater veranstaltet.«
»Was haben Sie mit den Pralinen gemacht?«
»Wir haben sie weggeworfen. Es waren wunderbare Pralinen«, setzte sie bedauernd hinzu.
»Und haben Sie gar nicht versucht, herauszubekommen, wer die Dinger geschickt hatte?«
Elvira schien etwas verlegen.
»Nun, ich hatte eigentlich Guido im Verdacht.«
»Ja?«, sagte der Chefinspektor aufmunternd. »Und wer ist Guido?«
»Oh, Guido…« Elvira hielt inne und warf ihrer Mutter einen Blick zu.
»Sei nicht albern«, sagte Bess Sedgwick. »Erzähle Chefinspektor Davy von diesem unbekannten Guido. Jedes Mädchen in deinem Alter hat einen Guido. Du hast ihn wohl in Italien kennen gelernt, wie?«
»Ja. Als man uns in die Oper führte. Dort hat er mich angesprochen. Er war nett. Sehr attraktiv. Ich sah ihn manchmal, wenn wir zu Vorlesungen gingen. Er steckte mir gewöhnlich einen Brief zu.«
»Und wahrscheinlich«, sagte Bess Sedgwick, »hast du dich mit deinen Freundinnen abgesprochen und der Contessa einen Haufen Lügen erzählt; und dann ist es dir gelungen, dich mit ihm zu treffen. Habe ich Recht?«
Elvira war sichtlich erleichtert, dass ihr dieses Schnellverfahren ein eigenes Bekenntnis erspart hatte.
»Ja, Bridget und ich sind manchmal zusammen ausgegangen. Hin und wieder konnte Guido…«
»Wie hieß Guido mit Nachnamen?«
»Das weiß ich nicht. Er hat es mir nie gesagt.«
Chefinspektor Davy lächelte sie an.
»Mit anderen Worten: Sie wollen es uns nicht verraten, wie? Macht aber nichts. Falls es wirklich erforderlich sein sollte, werden wir das auch ohne Ihre Hilfe herausbekommen. Aber warum nahmen Sie an, dass Sie dieser junge Mann, der Sie doch angeblich gern hatte, töten wollte?«
»Oh, weil er oft solche Drohungen ausgestoßen hat. Wir haben uns nämlich hin und wieder gezankt. Er brachte manchmal ein paar Freunde mit, und ich habe dann mit ihnen geflirtet. Da wurde er immer sehr, sehr wütend und jähzornig. Er sagte, ich solle mich vorsehen. Ich könne ihn nicht so – mir nichts, dir nichts – aufgeben! Und wenn ich ihm nicht treu bliebe, würde er mich umbringen!« Elvira lächelte plötzlich und unerwartet. »Aber es hat mir Spaß gemacht. Ich nahm nicht an, dass es ihm wirklich Ernst damit sei.«
»Na«, meinte der Chefinspektor, »ich halte es ja auch nicht für sehr wahrscheinlich, dass ein junger Mann, wie Sie ihn mir beschreiben, Ihnen vergiftete Pralinen schicken würde.«
»Nun, ich glaube es ja auch nicht«, sagte Elvira, »aber es kann kein anderer gewesen sein, denn ich wüsste nicht, wer sonst infrage käme. Es beunruhigte mich… Und dann, als ich wieder in England war, erhielt ich einen Brief. Er kam in einem Umschlag und war in Druckbuchstaben geschrieben. Es standen nur wenige Zeilen darin: (Seien Sie auf der Hut. Jemand will Sie töten.«
»Wirklich? Sehr merkwürdig. Hatten Sie Angst?«
»Ja. Ich machte mir allmählich Gedanken darüber, wer mich wohl aus dem Weg räumen möchte. Aus diesem Grund wollte ich auch herausfinden, ob ich tatsächlich sehr reich bin.«
»Bitte, weiter.«
»Und neulich in London passierte wieder etwas. Ich war in der Untergrundbahn, und es standen sehr viele Leute auf dem Bahnsteig. Ich hatte das Gefühl, dass jemand versuchte, mich auf die Schienen zu stoßen.«
»Mein liebes Kind!«, warf Bess Sedgwick dazwischen. »Nun fantasier bloß nicht.«
Abermals wehrte Vater sie ab.
»Ja«, sagte Elvira reumütig, »ich habe mir das alles vielleicht nur eingebildet, aber – ich weiß nicht recht – ich meine, nach den Ereignissen heute Abend scheint es doch so, als ob es keine Einbildung wäre, nicht wahr?« Sie wandte sich plötzlich an Bess Sedgwick. »Mutter! Vielleicht weißt du es. Will mich wirklich jemand töten? Habe ich irgendeinen Feind?«
»Du hast durchaus keine Feinde«, sagte Bess Sedgwick ein wenig ungeduldig. »Sei nicht so dumm. Niemand will dich umbringen. Warum wohl?«
»Wer hat dann heute Abend auf mich geschossen?«
»In diesem Nebel«, erklärte Bess Sedgwick, »hat man dich vielleicht mit jemand anders verwechselt. Das ist doch durchaus möglich, nicht
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