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Bertrams Hotel

Bertrams Hotel

Titel: Bertrams Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Sie unter ›nicht echt‹?«
    »Es waren pensionierte Offiziere anwesend, aber auch Personen, die wie Offiziere wirkten, aber nie in der Armee gedient hatten. Und Geistliche, die keine Geistlichen waren. Ferner Admirale und Kapitäne, die nie etwas mit der Marine zu tun gehabt hatten. Mein Gott, wenn ich noch an meine Freundin Selina Hazy denke – es amüsierte mich zuerst, wie begierig sie sich immer auf Menschen stürzte, in denen sie alte Bekannte zu erkennen glaubte, und wie oft sie sich irrte, weil es doch nicht die Menschen waren, für die sie sie gehalten hatte. Aber es passierte zu häufig. Also – kam mir die Sache allmählich etwas böhmisch vor. Selbst Rose, das Zimmermädchen – so nett –, erweckte in mir den Gedanken, dass sie vielleicht auch nicht echt sei.«
    »Falls es Sie interessieren sollte – sie ist eine ehemalige Schauspielerin. Eine gute sogar. Bezieht hier eine bessere Gage als je auf der Bühne.«
    »Aber – warum das Ganze?«
    »In der Hauptsache, um die Atmosphäre zu vervollkommnen. Aber vielleicht steckt auch noch mehr dahinter.«
    »Ich bin froh, dass ich von hier fortgehe«, gestand Miss Marple mit leichtem Schaudern. »Ehe etwas passiert.«
    Chef Inspektor Davy blickte sie neugierig an.
    »Was soll denn Ihrer Meinung nach geschehen?«, fragte er.
    »Irgendetwas Böses«, erwiderte Miss Marple.
    ›»Etwas Böses‹ ist ein ziemlich starkes Wort…«
    »Sie halten es für zu melodramatisch? Aber ich habe einige Erfahrung. Ich bin nämlich – ziemlich oft – mit Mord in Berührung gekommen.«
    »Mord?« Chefinspektor Davy schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Mordverdacht. Es geht hier nur um die nette, gemütliche Aushebung einer auffallend raffinierten Verbrecherbande.«
    »Das ist nicht dasselbe. Mord – der Wunsch, einen Mord zu begehen – ist etwas ganz anderes. Es ist – wie soll ich mich ausdrücken? – es ist eine Verachtung Gottes.«
    Davy blickte sie an und sagte mit sanfter, beruhigender Stimme:
    »Es wird kein Mord stattfinden, Miss Marple.«
    Ein scharfer Knall, lauter als der frühere, drang von draußen herein. Dann ein Hilferuf und ein zweiter Knall.
    Chefinspektor Davy war im Nu auf den Beinen und rannte mit einer für einen so massigen Mann erstaunlichen Geschwindigkeit los. In wenigen Sekunden war er durch die Schwingtüren und draußen auf der Straße.
     
    Angstschreie – es war eine Frauenstimme – durchdrangen schrill den Nebel. Chefinspektor Davy raste in Richtung dieser Schreie die Pond Street hinab. Er konnte die schwachen Umrisse einer Frauengestalt erkennen, die an einem Geländer lehnte. Mit wenigen Schritten stand er neben ihr. Sie trug einen langen, hellen Pelzmantel, und ihr glänzendes blondes Haar fiel zu beiden Seiten ihres Gesichts herab. Einen flüchtigen Augenblick lang glaubte er zu wissen, wer es sei. Dann aber wurde er sich bewusst, dass er nur ein schmächtiges junges Mädchen vor sich hatte. Vor ihr lag der Körper eines Mannes in Uniform. Chefinspektor Davy erkannte ihn. Es war Michael Gorman.
    Als Davy herangekommen war, klammerte sich das Mädchen, am ganzen Leibe zitternd, an ihn und stieß abgerissene Sätze hervor.
    »Jemand hat versucht, mich zu töten… Irgendjemand… man hat auf mich geschossen… Wenn er nicht gewesen wäre – « Sie deutete auf die regungslose Gestalt zu ihren Füßen. »Er hat mir das Leben gerettet. Ich glaube, er ist verletzt – schwer verletzt…« Chefinspektor Davy kniete neben der Gestalt nieder und zog eine Taschenlampe hervor. Der große Ire war gefallen wie ein Soldat. Auf der linken Seite seines Uniformrocks zeigte sich ein feuchter Fleck, der immer größer wurde, je mehr Blut durch das Tuch sickerte. Davy zog sein Augenlid in die Höhe und berührte sein Handgelenk. Dann erhob er sich wieder.
    »Ihn hat’s erwischt«, sagte er.
    Das Mädchen stieß einen gellenden Schrei aus. »Wollen Sie etwa sagen, er ist tot? O nein, o nein! Er kann nicht tot sein.«
    »Wer hat auf Sie geschossen?«
    »Ich weiß es nicht… Ich hatte meinen Wagen an der nächsten Ecke stehen lassen und tastete mich hier am Geländer entlang – auf dem Weg zu Bertrams Hotel. Dann plötzlich ertönte ein Schuss, und eine Kugel sauste mir an der Wange vorbei – und dann kam er, der Portier vom Bertrams, auf mich zugelaufen und schob mich hinter sich, und dann fiel noch ein Schuss… Ich glaube – ich glaube, der Täter muss sich dort drüben verborgen haben.«
    Chefinspektor Davy blickte auf die Stelle, auf die

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