Beruehmt und beruechtigt
ließ bestimmt ihre Sommersprossen sprießen, aber das war ihr egal. Sie schloss die Augen und der spätsommerliche Sonnenschein drang rötlich durch ihre Lider. Ob sie wohl in vielen Jahren ihren Kindern von diesem Nachmittag im Wald mit Easy erzählen würde – vom Anfang der Geschichte? Wie ihre Eltern sich kennengelernt hatten?
Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter. »Hey, Schlafmütze.« Easy schüttelte sie sanft. Sie schlug die Augen auf und sah ihn neben sich knien. Ein gelber Farbfleck saß auf seiner Nase. Jenny lachte. Hoffentlich war sie nicht so lange eingenickt, dass ihr Atem muffelte.
»Herrje, ich bin eingeschlafen! Ich hab doch hoffentlich nicht geschnarcht, oder?«, fragte sie und setzte sich auf. Er stand auf und hielt ihr die Hand hin, um sie auf die Füße zu ziehen. Sie versuchte, sich das Gefühl einzuprägen, wie seine warmen Finger ihre Hand umschlossen. Selbst als sie stand, überragte Easy sie noch um Haupteslänge, und sie kam sich winzig vor.
»Nein.« Er grinste und zog sie zu seiner Staffelei. »Aber du hast im Schlaf geredet.«
Sie zog die Luft ein. Ihr Bruder Dan trommelte nachts gelegentlich an ihre Zimmertür, weil sie im Schlaf geredet hatte. »Nicht im Ernst! Was hab ich gesagt?«
Easy kratzte sich am Kopf und tat, als ob es ihm unangenehm sei. »Du hast so undeutlich gesprochen, ich war mir nicht ganz sicher... aber es klang wie: ›Easy Walsh, du bist mein Held.‹«
Himmel, war Easy süß. »Sehr witzig. Aber normalerweise rede ich im Schlaf nur über Filmstars.«
»Wo du das jetzt erwähnst, fällt es mir wieder ein. Du hast auch gesagt, dass ich dich an Jake Gyllenhaal erinnere.«
Jenny lachte und stellte fest, dass sie sich immer noch an den Händen hielten. Die Luft roch nach Terpentin, nach Ivory-Seife und nach Blumen. Easy lächelte ihr zu und sie bewunderte seine auf charmante Weise etwas unregelmäßig stehenden Zähne. Sein Gesicht war ihrem so nahe, wenn sie sich... vorbeugen... würde …
»Lass mich das Bild sehen.« Ihre Stimme war übertrieben laut, um den Krach ihres pochenden Herzen zu übertönen. Sie hatte Millionen Fantasien, Easy zu küssen, aber er hatte sich erst gestern von Callie getrennt. Das Erstaunliche war, er schien sie zu verstehen.
»Es ist eigentlich erst eine grobe Skizze, sei also nicht zu enttäuscht.«
Sie warf einen Blick auf die Leinwand und hätte sich fast nicht erkannt. Sie sah das Bild eines Mädchens, das umgeben von Blumen ausgestreckt im sonnigen Gras lag. Es war das genaue Abbild dessen, wie sie die vergangenen zwei Stunden wohl ausgesehen hatte. Da waren das aufgeschlagene Skizzenbuch, die verräterischen weißen Kopfhörer des iPod, ihre weiße Bluse, die Jeans und die rosafarbenen Schuhe, auf den Arm gestützt ihr Kopf, die herabwallenden rotbraunen Locken. Und das Gesicht – es war der Teil des Bildes, der schon am weitesten ausgearbeitet war. Aber das war unmöglich sie. Perfekte Porzellanhaut, rosige Wangenknochen, ein leicht geöffneter Mund, schläfrige Augen unter dichten, üppigen Wimpern – das Gesicht war wie ein Traum, surreal, als hätte Easy gewusst, wie Jenny gerne aussehen würde. War es möglich, dass er sie tatsächlich so sah? Das ganze Bild, auch wenn es erst halb fertig war, schien einzufangen, wie es sich angefühlt hatte, dort zu liegen und Easys Musik zu hören und diesen geheimen, abgeschiedenen Ort mit ihm zu genießen, als sei es der einzige Ort auf Erden. Easy musste das Gleiche empfunden haben.
»Wow«, flüsterte sie schließlich.
»Warte, bis es fertig ist«, sagte er ein wenig träumerisch. Langsam packten sie ihre Sachen zusammen. Easy hielt für Jenny die Zweige aus dem Weg, als sie durch den Wald gingen. Nachdem sie die Bäume hinter sich gelassen hatten, schlenderten sie nebeneinander in Richtung Innenhof. Manchmal streiften sich ihre Beine, während Easy die große Leinwand an den hölzernen Seitenleisten trug.
Da sahen sie auf einmal Tinsley, die vor ihnen über den Hof ging, ganz in Schwarz und mit einer winzigen roten Wildledertasche von Marni. Jenny rückte sofort ein Stück von Easy ab und fühlte sich ertappt, auch wenn Tinsley nicht den Anschein machte, als habe sie gesehen, dass sie den Weg vom Bootshaus kamen.
»Alles okay«, flüsterte Easy. »Die beißt nicht. Sie hat uns nicht mal gesehen.«
Aber Jenny war sich nicht so sicher, weder in dem einen noch in dem anderen Punkt.
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