Beruehmt und beruechtigt
oder kotzten darauf, während ihre Mutter säuselte, wie goldig die zwei doch seien. Seine Stiefmutter, deren Namen niemals auszusprechen er sich geschworen hatte, schien überzeugt, dass er schwul war. Sie hatte ihm gegenüber einmal geäußert, sollte er sich eines Tages outen, würde ihn sein Vater »wahrscheinlich trotzdem noch lieben«. Wenigstens litt Brandon nie unter Heimweh.
Der Tag war sonnig, hatte aber eine gewisse Frische. Brandons Ziel lag quer über dem Rasen des Innenhofs. Grashalme, die vom Tau noch feucht waren, blieben an seinen Bruno-Magli-Slippern kleben. Er war unterwegs zu Haus Maxwell, einem Gebäude des Architekten H. H. Richardson. Dort befanden sich das Schülerzentrum, ein Café, der Postraum und Arbeitsräume und Maxwell diente als Treffpunkt des Campus. In die Bibliothek ging man, wenn man auf einen Test oder eine Arbeit lernen musste, in der man nicht mit einer Drei oder Vier abschneiden wollte. Die Schüler, die ins Maxwell gingen, lernten lieber in Gesellschaft, sie waren eher von der faulen Sorte, die den Lärm von Cappuccino-Maschinen und gelegentliche Ablenkung durch attraktive Mitglieder des anderen Geschlechts liebte. Vielleicht würde Callie ja dort sein, ihren doppelten Espresso trinken und die neueste Ausgabe von Vanity Fair lesen, statt für Mathe zu büffeln. Brandon hatte vor, sich für ein paar Stunden in einen ausladenden Sessel in einer der Nischen auf der Galerie fallen zu lassen, seine Latte zu trinken und mit de Tocquevilles Über die Demokratie in Amerika anzufangen, einem Buch, das so langweilig war, dass die Gründerväter Amerikas mit Sicherheit die Diktatur gewählt hätten, hätten sie es je lesen müssen.
Die Haupthalle von Maxwell mit den wuchtigen Steinwänden, den romanischen Bögen und dem riesigen Kamin, der übrigens nie benutzt wurde, bot einen höhlenartigen, einladenden Anblick. Der Raum war voll mit Schülern, und nachdem Brandon außer seinem Getränk noch drei Päckchen Süßstoff gebunkert hatte, stieg er die knarrende Treppe zu einer der Nischen im oberen Stockwerk hinauf. Von dort konnte er die Haupthalle überblicken und jeden sehen, der eintraf.
Zuerst war Brandon enttäuscht, statt der langen blonden Haare von Callie einen Schopf dunkler Locken zu sehen, doch dann stellte er fest, das der Schopf zu Jenny gehörte. »Hallo«, sagte er. Er freute sich, dass sie seinen Lieblingsplatz im Gebäude ebenfalls entdeckt zu haben schien. Zwei riesige Sessel waren im rechten Winkel zueinander ausgerichtet, dazwischen stand ein kleiner Beistelltisch aus Holz. Hier hatte Brandon viele Stunden mit seinem iPod verbracht und sich nach Callie verzehrt. Es hatte etwas so Intimes, neben einer anderen Person zu sitzen und zu lesen, ab und zu aufzusehen, um Blicke zu tauschen und sich vielleicht einen Kuss zu geben.
Jenny sah von ihrem Buch auf, offensichtlich tief in Gedanken. Sie brauchte eine Weile, um sich auf Brandon zu konzentrieren, aber schließlich überzog ein freundliches Lächeln ihr Gesicht. Ihre Wangen waren rosig und ihre kleine Himmelfahrtsnase mit Sommersprossen gesprenkelt. Sie trug eine geblümte Buttondown-Bluse von J. Crew, die zwar nicht eng war, sich aber dennoch um ihre Kurven schmiegte. Dazu einen kurzen ausgebleichten Jeansrock, eine schwarze Strumpfhose und graue Wildlederslipper, die winzig wie Kinderschuhe wirkten. Die Fußgelenke hatte sie anmutig gekreuzt. »Hallo Brandon! Was geht?«
Brandon wurde kurz von der Bewegung ihrer Brüste verwirrt, als Jenny sich aufsetzte, aber er wollte keinesfalls einer von jenen Jungen sein, die einem Mädchen nur auf den Busen starrten, egal wie einladend der Anblick auch war. Daher zwang er sich, den Blick wieder auf ihr Gesicht zu richten. »Hast du was dagegen, wenn ich mich zu dir setze?«, fragte er und deutete auf den anderen Sessel.
»Aber nein. Mir war hier oben schon ein bisschen einsam mit niemand außer Emma Bovary.«
Brandon lachte, und ihm fiel auf, dass er die letzten dreißig Sekunden nicht an Callie gedacht hatte. Na bitte, er war also doch nicht von ihr besessen. Er musste daran denken, wie er wochenlang mit keinem hatte reden wollen, nachdem Callie ihn hatte fallen lassen. Hoffentlich brauchte Callie nicht so lange, um über Easy hinwegzukommen. Brandon ließ sich in den Sessel neben Jenny sinken und stellte seine Tasse auf den Tisch. »Wie geht es Callie?«, fragte er mit gesenkter Stimme, doch dann kam er sich auf einmal albern vor, dass er so einen ernsten Ton anschlug, wo
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