Beruehre meine Seele
„Vielen Dank auch für eine weitere unqualifizierte Psychoanalyse.“ Dann wandte ich mich an meine beste Freundin. „Es tut mir wirklich leid, Em, aber Sabine kann sich viel besser halten gegen … nun, so ziemlich gegen alles, was da draußen rumschwirrt. Und wenn ich sie nicht einmal davon abhalten kann, sich Nash an den Hals zu werfen, wie sollte ich sie davon abhalten können, sich an Mr Beck heranzumachen?“
„Du schaffst weder das eine noch das andere“, fasste Sabine zusammen, und Emma zuckte ergeben mit den Achseln, auch wenn sie noch immer schmollte. „Ist aber so oder so egal. Mit dem Flirten habe ich es schon versucht und kläglich versagt. Ich glaube nicht, dass er weiß, was ich bin, aber er war auf jeden Fall total verschreckt, als ich seine Ängste gelesen hab.“
Die Dissimulatus-Armbänder, die wir trugen, verbargen unsere mentale Signatur, aber sollten wir unsere Fähigkeiten nutzen und dabei erwischt werden … dann waren wir geliefert. Wir konnten es uns nicht erlauben, dass Beck per Zufall unsere Geheimnisse entdeckte, bevor wir seines gelüftet hatten.
„Du hast seine Ängste gelesen?“, flüsterte ich. „Mitten im Unterricht?“ Wollte sie unbedingt erwischt werden?!
„Genau, und wahrscheinlich werde ich keine weitere Möglichkeit mehr dazu bekommen.“ Sie zuckte mit den Schultern, und ein kleines Grinsen begann sich auf ihrem Gesicht auszubreiten. „Da ist es vermutlich gut, dass ich gleich beim ersten Versuch Erfolg hatte, was?“
Em steckte ihren Löffel in den Joghurt, der darin kerzengerade stehen blieb. „Du weißt, was er ist?“
„Warum hast du das nicht gleich gesagt?“ Verärgert verschränkte ich die Arme vor der Brust.
Sabine schnaubte. „Weil es ein Gefallen ist und kein Almosen. Nichts ist wirklich umsonst, Kaylee.“
„Schön, womit bewiesen wäre, dass du dich bestens ans kapitalistische System angepasst hast. Und jetzt rück endlich mit der Sprache raus.“
Sabine lehnte sich über den Tisch, und ich beugte mich vor, als sie ihre Stimme senkte. Ich wollte alles hören. „Also gut, ich bin zu achtzig Prozent sicher …“
„Achtzig Prozent?“ Ich musste mir das Stöhnen verkneifen.
„Ängste lesen ist keine sehr genaue Wissenschaft, Kay“, zischte Sabine. Dann hielt sie inne und runzelte nachdenklich die Stirn. „Okay, vielleicht ist es das doch, aber es heißt ja auch Ängste lesen und nicht Gedanken lesen. Das Einzige, was ich jetzt also definitiv weiß, ist, wovor er Angst hat.“
Em machte eine Geste mit der Hand, um das Ganze zu beschleunigen. „Und das wäre …?“
„Es nicht zu schaffen, sich fortzupflanzen.“
„Was?“, kam es von Emma und mir gleichzeitig.
„Er will ein Baby haben, genauer gesagt, einen Sohn.“
„Ich persönlich finde ja, er ist ein bisschen jung, um jetzt schon Torschlusspanik zu haben. Und außerdem ist Kindermachen auch nicht unbedingt eine unangenehme Aufgabe, oder?“, meinte Emma.
Mein Magen begann sich zu verkrampfen, und eine eisige Kälte kroch mir über den Rücken. Mr Beck war kein Mensch, und er wollte unbedingt ein Kind haben, befürchtete aber, keines zu kriegen. Danica Sussman hatte gerade eine grauenvolle Fehlgeburt hinter sich, mit einem Baby, das nicht von ihrem Freund war und ihrem Körper zudem so schweren bleibenden Schaden zugefügt hatte, dass sie nie wieder Kinder bekommen würde.
„Er ist eben nicht jung“, sagte Sabine, doch ich hörte ihre Worte kaum noch, weil sich in mir die erschreckende Erkenntnis zu einem Crescendo aufbaute: Beck, was immer er war, ging auf Beutezug an unserer Schule und suchte sich Teenager als potenzielle Mütter. „Genau genommen hat er Angst, dass er sich zu viel Zeit gelassen hat und keine fruchtbare Phase mehr durchlaufen wird.“
„Fruchtbare Phase?“, wiederholte Emma, und das Bild vor meinem inneren Auge, das sich weigerte, klarer zu werden, wurde stattdessen noch schwammiger und dunkler.
„Was also ist er?“ Ich starrte auf die Tischplatte unter meinen Händen, konzentrierte mich ausschließlich auf die Fugen zwischen den Fliesen, weil ich hoffte, so Ordnung in meine Gedanken bringen zu können.
Sabine stieß die Luft aus und faltete die Arme auf den quadratischen Fliesen. „Ich würde sagen, er ist … ein Inkubus. Unser neuer Mathelehrer ist ein reinrassiger leibhaftiger Lustdämon. Was denkt ihr?“
„Sehr gut möglich, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Eastlake High Buffys Höllenschlund wie einen Riss im Bürgersteig
Weitere Kostenlose Bücher