Beruehre meine Seele
auf ihr Dekolleté, das einen erblinden lassen konnte. Ebenso wenig ahnte sie, wie gefährlich diese Welt in Wirklichkeit war, selbst wenn sie wusste, dass der Planet nicht nur von Menschen bevölkert wurde.
„Em, das ist keine gute Idee.“ Ich duckte mich und sah unter den Türen nach, um sicherzustellen, dass wir allein waren. So weit, so gut, es sei denn natürlich, jemand an der Eastlake hatte plötzlich die Fähigkeit entwickelt, sich unsichtbar zu machen. „Warum fragst du nicht jemanden vom Mathe-Club?“
„Weil es im Mathe-Club keinen einzigen scharfen Typen gibt“, sagte sie, ohne den Mund zu bewegen, da sie konzentriert Lippenstift auftrug. Sie steckte die Kappe wieder auf und sah mich mit zusammengekniffenen Augen im Spiegel an. „Wozu der Aufstand, Kay? Zweimal die Woche eine Stunde nach der Schule. In einem Klassenzimmer. Wenn ich schon Funktionsgleichungen lernen muss, dann möchte ich wenigstens etwas Nettes fürs Auge haben, bevor mein Hirn explodiert.“
Ich stellte meinen Rucksack ab und stützte mich mit beiden Händen auf das Waschbecken. Fassungslos sah ich sie im Spiegel an. „Em, der Mann könnte gefährlich sein. Er ist kein Mensch!“
„Das bist du auch nicht.“
„Genau, und ich bin gefährlich. Wie oft wärst du meinetwegen schon fast gestorben?“
Sie ließ den Lippenstift in die Tasche zurückfallen, die sie dann auf den Stapel Bücher stellte, den sie auf dem Waschbecken neben sich abgelegt hatte. „Wieso musst du immer der Miesmacher sein? Immer der, der mir in die Parade fährt? Warum kannst du mir nicht einmal die wunderbare Hoffnung lassen, dass jemand, der scharf aussieht und intelligent ist und definitiv die Pubertät hinter sich hat, an mir interessiert sein könnte?“
„Weil du nicht darauf zu hoffen brauchst. Du kannst dir sicher sein, dass er total an dir interessiert ist, und genau das ist das Problem.“
„Es ist nur Nachhilfe, Kaylee.“
„Die Letzte, der er Nachhilfe gegeben hat, ist auf dem Boden des Klassenzimmers fast verblutet“, entgegnete ich und sah Emma blinzeln, so als wollte sie etwas sagen, fand aber nicht die richtigen Worte. „Sabine muss erst herausfinden, was er ist, dann finde ich heraus, ob er Danica Sussman geschwängert hat.“ Und Emma würde auf Abstand zu ihm bleiben, ob es ihr gefiel oder nicht.
„Okay, versteh das jetzt nicht falsch, Kay, aber … was geht es dich an, mit wem Danica schläft?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Bist du plötzlich die Anstandspolizei?“
„Emma, er ist ein Lehrer!“
„Das weiß ich auch, und normalerweise wäre das sicher abartig. Aber er ist zweiundzwanzig und sie achtzehn. Vier Jahre Altersunterschied – außerdem ist sie volljährig. Hätten wir schon Juni und die Highschool wäre zu Ende, gäbe es keinen Grund für uns, dieses Gespräch zu führen.“
„Im Moment haben wir aber erst März, und sie ist noch in der Schule – an der er als Pädagoge eine Autoritätsperson sein sollte“, beharrte ich frustriert. Ich war mehr als verwirrt über ihre Argumentation. War es denn wirklich so schwer zu verstehen, dass es einfach falsch war, wenn ein Lehrer mit seiner Schülerin schlief? „Sollte das herauskommen, wird er auf jeden Fall gefeuert.“
„Wenn man davon ausgeht, dass es überhaupt stimmt. Zu diesem Zeitpunkt ist es doch noch rein hypothetisch, oder?“, wollte sie wissen, und ich nickte zögernd. „Ich mache dir einen Vorschlag …“ Emma drehte sich vom Spiegel weg und sah mich direkt an. „Ich verspreche dir, nicht mit dem heißesten Lehrer der Welt zu schlafen und mich ausschließlich mit Matheformeln und harmlosen Fantasien zufriedenzugeben. Dafür wirst du es mir auf jeden Fall sofort sagen, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass er Hörner und einen gespaltenen Penis hat. Abgemacht?“
„Nein, nicht abgemacht!“, rief ich wütend. Mit offenem Mund starrte ich sie an. „Du hast die Unterwelt doch gesehen. Wieso jagt dir allein die Möglichkeit, dass er ein Monster sein könnte, keine Angst ein? Das mit dem gespaltenen Penis könnte durchaus der Wahrheit entsprechen, weißt du?!“
„Nur weil er kein Mensch ist, heißt das doch noch lange nicht, dass er ein Monster sein muss.“ Sie zuckte mit den Achseln und fuhr fort, bevor ich die Chance hatte, etwas zu erwidern. „Zugegeben, Avari und Invidia waren echt unheimlich, aber Hellions können doch nicht in unsere Welt überwechseln. Und Mr Beck ist nicht unheimlich. Er ist einfach nur …
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