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Beruehre meine Seele

Beruehre meine Seele

Titel: Beruehre meine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Vincent
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einschenkte. „Wo warst du gestern? Mr Ryan hat eine Nachricht auf dem AB hinterlassen. Wenn du heute nicht kommst, kannst du dich als gefeuert betrachten. Warst du diese Woche überhaupt schon auf der Arbeit?“
    Er nahm den ersten Schluck Kaffee, ohne die Kanne zurückzustellen. „Mir gehen momentan wichtigere Dinge im Kopf herum als Arbeit, Kaylee. Aber das Universum scheint unnachgiebig daran festzuhalten, dass du das einzige Wunder bist, das mir gewährt wird.“
    Ich nickte und kämpfte gegen die Tränen an, die mir in die Augen schießen wollten. „Das Universum hat immer recht, Dad. Dagegen kommst du nicht an.“
    Er sah mich über den Rand der dampfenden Tasse an, sein Gesichtsausdruck ließ deutlich erkennen, dass er sich weigerte, sich geschlagen zu geben. Dann lehnte er sich seufzend gegen die Anrichte. „Hast du Lust, heute mal die Schule zu vergessen und mit mir blauzumachen? Nur wir beide. Im Fernsehen zeigen sie heute alle Teile von Alien , einschließlich Alien vs. Predator: Requiem . Wir lassen Pizza kommen und machen es uns richtig gemütlich.“
    Am liebsten hätte ich geheult. Er wollte nicht zugeben, dass er mich nicht retten konnte, aber das Angebot, für Qualitätszeit zwischen Vater und Tochter die Schule schwänzen zu dürfen, sprach Bände. Ich wollte auch Ja sagen. Den ganzen Tag im Schlafanzug auf dem Sofa mit meinem Vater Filme ansehen, zum letzten Mal im Leben. Aber … „Geht nicht.“ Ich kaute an meinem letzten Bissen Heidelbeertoast. „Du musst zur Arbeit.“ Und ich musste in die Schule, um weiter an der Vernichtung eines Dämons aus der Unterwelt zu arbeiten, der sich für meinen Mathelehrer ausgab.
    „Wie wär’s dann mit heute Abend?“ Er war bemüht, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, aber der Farbwirbel in seinen Augen verriet ihn, was nur sehr selten vorkam. „Ich kann’s ja aufnehmen.“
    „Nein, kannst du nicht.“ Der Rekorder war schon einen ganzen Monat an den Fernseher angeschlossen, aber Dad hatte noch immer nicht herausbekommen, wie man umschaltete. „Aber ich. Wenn du die Pizza mitbringst, stehe ich ganz zu deiner Verfügung.“ Hausaufgaben konnte ich mir jetzt wohl sparen. Für den Rest meines Lebens.
    „Abgemacht.“ Als er lächelte, sah er für eine oder zwei Sekunden weniger müde aus als vorher. Doch dann nahm er noch einen Schluck Kaffee, und ich konnte deutlich erkennen, wie erschöpft er tatsächlich war und wie hart die letzten Tage für ihn gewesen waren. Zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht den besseren Teil des Deals abbekommen hatte. In ein paar Tagen wären alle meine Sorgen vorbei, aber mein Dad musste meinen Tod verkraften und für den Rest seines Lebens damit fertig werden, dass er mich nicht hatte retten können.
    Ich wollte etwas ganz anderes sagen, wollte irgendwie in Worte fassen, wie sehr ich ihn liebte, doch es klingelte an der Haustür, bevor ich auch nur das erste Wort herausbekommen hatte.
    Mein Dad runzelte die Stirn und wollte schon fragen, wer um Himmels willen um diese unchristliche Zeit an der Tür sein könnte, doch ich eilte an ihm vorbei und zog die Tür auf. Nash und Sabine standen auf der Schwelle, Sabines Wagen parkte am Straßenrand. Ich trat beiseite, um sie hereinzulassen, während mein Dad den Rest des Kaffees in einen Thermosbecher zum Mitnehmen füllte.
    „Hey, Mr Cavanaugh.“ Sabine setzte sich neben Nash auf die Couch.
    „Ihr seid heute aber alle früh auf. Was liegt denn an?“ Dad hielt den Becher in der einen, seine Arbeitshandschuhe und den Autoschlüssel in der anderen Hand. Er tolerierte Sabine trotz der unheimlichen Aura, die sie ausstrahlte, wenn sie wütend oder aufgeregt war, weil er nicht wusste, was sie mir hatte antun wollen, um Nash zurückzubekommen. Und weil sie ihm leidtat, da sie mit einer Pflegemutter gestraft war, die nur an dem Scheck interessiert war, den sie jeden Monat vom Staat erhielt. Allerdings ahnte er auch nicht, wie sehr Sabine die Freiheit genoss, die ihr durch die erbärmliche Aufsicht der Pflegemutter garantiert wurde.
    Und niemand wusste – außer vielleicht Nash, der natürlich keinen Ton sagen würde –, wie sie an den Wagen gekommen war, ohne Job und mit dem bisschen Taschengeld.
    „Wir müssen was für die Schule tun“, sagte ich. Im Prinzip war das nicht einmal gelogen. Sollte ich jedoch die ganze Wahrheit sagen, würde Dad nicht zur Arbeit gehen, und dann hätte er nach meinem Tod wirklich nichts mehr, für das er noch leben

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