Beruehre meine Seele
hast und dann mit Todd aufgetaucht bist. Ich weiß doch, dass er dich will, und langsam bekomme ich den Eindruck, als beruhe die Sache auf Gegenseitigkeit …“
Er betonte es wie eine Frage. Er ließ also noch immer nicht locker. Und ich wollte nicht lügen. Aber war das überhaupt noch wichtig? Schön, Todd war also lustig und spontan, und er war immer da, wenn ich ihn brauchte. Ihm gefiel es, wenn ich wütete und mich aufregte, und er hielt mich auch nicht für verrückt, weil ich in Lakeside einbrechen wollte. Und er hatte sich Monate Zeit gelassen, um mich kennenzulernen, anstatt mich schon eine Woche nach dem Kennenlernen zu betatschen.
Was bedeutete das noch? Was nutzte die Aussicht auf eine Möglichkeit, die das Leben verändern konnte, die Gefühle zerstören konnte, wenn ich gar nicht mehr hier sein würde, um es mitzumachen?
Sollte ich zugeben, dass ich Todd vielleicht – vielleicht! – mochte? Es würde nur das, was zwischen Nash und mir war, zerstören, und zwar ohne jeden Grund und Nutzen.
Etwas anderes wäre es, wenn ich nicht sterben würde. Wenn mir die Chance bliebe, noch eine Entscheidung zu treffen und über die langfristigen Konsequenzen nachzudenken. Aber da das nicht passieren würde …
„Nash, warum sollte ich mit dir zusammen sein, wenn ich ihn mag?“
Statt einer Antwort zog Nash mich an sich und sah mir tief in die Augen. Für einen Moment wollte Panik in mir aufkommen. Doch ich schluckte sie herunter und nahm mich zusammen, atmete bewusst ruhig und gleichmäßig, hielt mir fest vor Augen, wie wichtig es mir war, Nash nicht zu verletzen.
„Dann ist also alles in Ordnung mit uns?“, fragte er, und mir wurde klar, dass ich den verräterischen Strudel in meinen Augen kontrolliert hatte, wahrscheinlich zum ersten Mal in meinem Leben.
„Ja, sicher. Alles bestens.“
„Nun, dann …“ Herausfordernd zog er die Augenbrauen hoch, so als würde er mir nicht wirklich glauben. „Wie mir auffällt, sind wir allein hier.“ Er zog mich noch enger an sich und flüsterte mir ins Ohr, obwohl es hier niemanden gab, der ihn hören könnte. „Also, ich schlage vor, wir gehen in dein Zimmer und erfüllen uns ein paar ausstehende Wünsche …“
Noch vor wenigen Stunden hätte ich zugestimmt, wäre mit ihm in mein Zimmer gegangen, den Kopf vernebelt, der Rest von mir in Flammen vor erwartungsvoller Aufregung. Doch jetzt … es fühlte sich nicht richtig an. Todd hatte recht – ich wollte nur mit Nash schlafen, um sagen zu können, dass ich es getan hatte. Um zu wissen, wie es war. Doch Nash würde es für mehr halten.
Ihn anzulügen, um ihn nicht zu verletzen, war schlimm genug: Ich tat es auch nur, weil es mich in ein paar Tagen sowieso nicht mehr geben würde. Aber Todd war dann noch hier. Und dreihundert Jahre waren eine lange Zeit, um den eigenen Bruder zu hassen.
Mit Nash zu schlafen wäre allerdings etwas ganz anderes. Ich konnte ihn nicht so benutzen. Also log ich weiter.
„Es war ein langer Tag, ich komme um vor Hunger. Warum lassen wir uns nicht etwas zu essen kommen? Chinesisch? Du darfst aussuchen. Wir können uns einen Film ansehen …“
Nash runzelte die Stirn. „Ich dachte, du wolltest es?“
„Wollte ich ja auch. Ich meine, ich will. Aber nicht heute Abend.“ Nicht, dass es noch viele Abende geben würde, aber mit denen würde ich umgehen können, wenn es so weit war.
„Bist du noch immer sauer auf mich wegen Todd?“
„Nein, Nash, Todd hat damit nichts zu tun. Und ich bin auch nicht sauer auf dich. Keine Sorge, es ist alles in Ordnung.“ Es musste die größte Lüge sein, die mir je über die Lippen gekommen war.
Er sah noch immer nicht überzeugt aus, aber er drückte mir trotzdem einen Kuss auf die Stirn und versuchte, seine Enttäuschung zu überspielen. „Du bestellst das Essen, ich suche den Film aus. Wir brauchen es nicht zu tun, es reicht mir, wenn ich mit dir zusammen sein kann.“
Die Schuldgefühle überrollten mich wie ein Ozean, verschluckten mich und zogen mich in die Tiefe.
„Als du noch klein warst, hast du die immer ‚Ploppschnittchen‘ genannt“, sagte mein Dad. Ich sah von meinen Heidelbeerschnitten im Toaster auf und sah meinen Dad in der Küchentür stehen.
„Hey. Wo warst du die ganze Nacht?“ Er sah miserabel aus. Blutunterlaufene Augen, dunkle Ringe, blasse Haut.
„Auf der Jagd nach einem Wunder.“ Mit einem Seufzer schlurfte er zur Kaffeemaschine.
„Dann frage ich mal anders“, meinte ich, als er sich eine Tasse
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