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Beruehre meine Seele

Beruehre meine Seele

Titel: Beruehre meine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Vincent
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wo sich die Korridore kreuzten, als ich eine bekannte Stimme aus dem Klassenzimmer links von mir hörte. Vor Angst erstarrte ich.
    „Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass du mir ein Geschenk dieser Art bringst“, sagte Avari. Das Blut gefror mir in den Adern. „Fast könnte man meinen, du willst mir Tribut zollen. Oder an meine Mildtätigkeit appellieren.“
    „Man kann nicht an etwas appellieren, das nicht existiert“, erwiderte eine zweite Stimme, und Gänsehaut breitete sich über meinen ganzen Körper aus. Todd. Kein Wunder, dass er nicht auf meine SMS reagiert hatte, Handys funktionierten nicht in der Unterwelt.
    „Mmh“, sagte Avari, und auf Zehenspitzen schlich ich mich weiter vor. „Du bist also doch nicht so dumm, wie es den Anschein hat.“
    „Was ist das, ein Kompliment in der Version des Bösen?“, sagte Todd, und obwohl ich ihn nicht sehen konnte, stellte ich mir in Gedanken vor, wie er ironisch eine Augenbraue hochzog. „Stehen wir jetzt etwa auf freundschaftlichem Fuß?“
    Avari schnalzte abfällig mit der Zunge. „Ich ziehe meine letzte Bemerkung zurück.“
    „Von mir aus. Nimm ihn einfach, damit ich von hier wegkomme.“
    „Es ist nicht das, was du angeboten hattest. Und ich verfüge noch nicht über das, was du haben willst.“
    „Das hier ist mehr, als ich geboten hatte. Außerdem brauche ich das andere nicht. Somit kommst du bei dem Deal eindeutig besser weg. Du solltest tun, was du tun willst, bevor er aufwacht, sonst wirst du ihn nie hier halten können.“
    Verdammt, worüber redeten die beiden da? Wen hatte Todd zu Avari gebracht? Und welchen Deal wollte er mit dem Hellion abschließen, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, mich zu bekommen, komplett mit Leib und Seele?
    Ich stand jetzt mitten auf der Korridorkreuzung, angreifbar aus vier Richtungen, falls jemand aus den Klassenräumen treten sollte. Zudem musste ich mit Gummihandschuhen und Schutzbrille sowie einer großen Schere in der Hand völlig idiotisch aussehen. Nur konnte ich mich nicht entscheiden, in welche Richtung ich gehen sollte. Nach rechts, um Emma im Auge zu behalten? Oder nach links, um vielleicht sehen zu können, wen Todd bei Avari abgeliefert hatte?
    Für mich wäre es auf jeden Fall sicherer im Matheraum, und Emma wäre mit mir zusammen sicherer. Trotzdem ließ sich die Neugier nicht zügeln, die mich nach links zog. Hatte das etwa mit mir zu tun? Auch wenn mein verlängertes Auslaufdatum in der Unterwelt bedeutungslos war. Hier konnte ich jederzeit und auf jede Art und Weise zu Tode kommen. Oder ich könnte auch auf ewig Avari ausgeliefert sein und mich bis ans Ende der Zeit nach dem Tod sehnen.
    Ich wusste, dass ich einen Fehler machte, noch in dem gleichen Augenblick. als ich mich nach links drehte und den ersten Schritt tat. Ich war nur heilfroh, dass ich die lautlosen Turnschuhe trug.
    „Du willst ihn also nicht? Auch gut“, sagte Todd, als Avari nichts erwiderte. „Ich kenne ein paar Hellions, die den Wert zu schätzen wissen, den du hier ausschlägst.“
    „Lass ihn hier“, sagte Avari endlich. „Doch ich biete nichts im Gegenzug, außer den sicheren Rückzug für dich – den wir ja bereits vereinbart hatten. Es ist also keineswegs meiner Aufmerksamkeit entgangen, dass ich dir einen Gefallen tue. Aber sei doch noch so nett und befriedige meine Neugier, bevor du gehst“, hörte ich Avari sagen, während ich vorsichtig in die erste offene Tür lugte und dabei darauf achtete, den Ausläufern der Creeper am Türrahmen auszuweichen. Pulte und Stühle waren zu einem seltsam komplizierten Haufen aufgetürmt, wie eine Pyramide aus Cirque-du-Soleil-Turnern, die jeden Moment zusammenfallen konnte. Der Raum selbst war aber glücklicherweise leer. „Welchen Nutzen hat unsere gute Addison davon?“, fuhr der Hellion fort. „Du hast deine Chance verpasst, um Zeit mit ihr zu handeln. Jetzt ist es zu spät.“
    „Das hat nichts mit Addy zu tun“, blaffte Todd. Der Schmerz in seiner Stimme hallte in meiner Brust nach.
    „Irgendein beschränkter menschlicher Denker hat einmal behauptet, Liebe würde mit der Entfernung wachsen. Nun, obwohl ich zugeben muss, dass mir das Konzept ‚Liebe‘ als solches völlig fremd ist, scheint es mir doch, dass du bei Addison eher in die andere philosophische Richtung tendierst – aus den Augen, aus dem Sinn. Das passt gut. Ich sollte nämlich wohl hinzufügen, dass man bei ihr, seit du sie das letzte Mal gesehen hast, leider nicht mehr von ‚Sinn‘ reden

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