Beruehre meine Seele
– gerade, als Mr Beck die Tür seines Zimmers hinter sich zuzog.
Mist . Ich hatte gehofft, es noch zu schaffen, sodass ich mich im Schrank verstecken und ein Auge auf Emma haben konnte. Gut möglich, dass das ein kindischer Plan war, aber Nash und Sabine wussten ja, wo wir waren, nur für den Fall, dass etwas schiefgehen sollte.
Doch jetzt war die Tür verschlossen, ich kam nicht mehr hinein, ohne gesehen zu werden. Es sei denn …
Ich stellte meine Tasche auf den Boden und holte mein Handy hervor, um Todd eine SMS zu schicken.
@ Schule. Brauche Hilfe .
Todd antwortete eigentlich immer sofort, wenn er nicht gerade eine Seele einsammeln oder Pizza ausliefern musste, ansonsten hatte er ja nichts anderes zu tun. Nur ausgerechnet jetzt, wenn Emma uns beide brauchte, war er nicht zu erreichen.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um durch das oben in der Tür eingesetzte Fenster in Becks Zimmer sehen zu können. Er bot Emma gerade den Stuhl hinter seinem Schreibtisch an, und sie lächelte ihn an. Dann setzte sie sich, um sich von ihm näher an den Schreibtisch schieben zu lassen. Er beugte sich über sie und zeigte auf etwas in dem Schulbuch, das aufgeschlagen auf dem Tisch lag.
Am liebsten hätte ich mich übergeben. Nicht, dass er etwas offenkundig Bösartiges getan hätte, aber schon die Tatsache, dass er allein mit einer Schülerin in einem Raum war, wirkte auf mich anstößig. Nach allem, was Farrah uns über seine Entschlossenheit erzählt hatte, nur ja nicht den Eindruck von Anstand und Korrektheit zu schmälern, war das auch völlig untypisch für ihn.
Beck bekam Torschlusspanik, er drehte das Tempo auf. Und dem völlig entrückten Entzücken auf Emmas Gesicht nach zu schließen – sie starrte nur ihn an und ignorierte das Buch völlig –, fiel Emma auch darauf herein. Fiel auf ihn herein, obwohl sie wusste, was er Danica und Farrah und unzähligen anderen Mädchen in unserem Alter angetan hatte.
Beck sah auf, und mit hämmerndem Herzen duckte ich mich unter die Scheibe, während ich mir die Daumen drückte, dass er mich nicht gesehen hatte. Noch war der Flur leer, aber das würde sicher nicht mehr lange so bleiben. Und Todd hatte noch immer nicht geantwortet. Sabine und Nash warteten im Hof darauf, von mir zu hören. Helfen konnten sie sowieso nicht. Ich brauchte Reaper-Fähigkeiten, und da mir die nicht zur Verfügung standen, waren meine eigenen wohl die nächstbeste Option.
So weit man das so sagen konnte.
Mit vor Angst zugeschnürter Kehle trat ich in die Mitte des Flurs und sah mich um. Ich wollte sicher sein, dass ich allein war. So weit, so gut.
Ich wollte nicht in die Unterwelt überwechseln, schon gar nicht von meiner Schule aus. Schließlich hatte Avari hier seine neue Operationsbasis eingerichtet, es sei denn, in den letzten sechs Wochen hätte sich etwas geändert. Doch ich wollte Emma auch nicht hängen lassen, selbst wenn mir klar war, dass der Wechsel in die Unterwelt mich meine letzten beiden Tage kosten konnte.
Glücklicherweise gab es hier weder eine schreiende Psychiatriepatientin noch eine Krankenschwester, die nach den Sicherheitsleuten rief. Ich könnte es also schaffen, könnte ruhig genug sein, um die Ängste über meinen eigenen Abgang beiseitezuschieben und mich auf die in meiner Vergangenheit zu konzentrieren.
Ich holte tief Luft und schloss die Augen, holte in Gedanken die Bilder an den letzten Tod zurück, den ich gesehen hatte, die letzte Seele, für die ich gesungen hatte. Das war vor Danicas Baby Mrs Bennigan gewesen, die einen Tag nach Mr Becks Vorgänger, der an seinem Schreibtisch gestorben war, in ihrem Klassenzimmer verschieden war. Während sie ihren letzten Atemzug ausgehaucht hatte, war ich mit Nash draußen gewesen und hatte das Lied für sie zurückgehalten, das mein Körper so unbedingt hatte herauslassen wollen. Das Lied, das noch immer in Erinnerung an sie in mir widerhallte.
Der kratzende Schmerz in meiner Kehle war sowohl vertraut als auch willkommen, denn mit ihm kamen auch die ersten zarten Ausläufer des Klangs, eine erstickte Version des sagenhaften Klagens der Banshees. Ein Klagen, das mit voller Macht aus meinem Mund strömen wollte. Doch in der jetzigen Situation war Zurückhaltung von beiden Seiten der Grenze nötig, und so schluckte ich den Schrei hinunter, bis auf ein leises hohes Weinen, das kein menschliches Wesen zustande bringen würde. Zwar brachte es die Scheibe in der Tür zu meiner Linken zum Vibrieren, aber es war leise genug,
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