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Beruehrt

Beruehrt

Titel: Beruehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Lyall
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klang merkwürdig blechern in seinem Flur. Sie fand ihn schließlich, nur mit Boxershorts bekleidet, den Kopf auf die Arme gestützt, an seinem Küchentisch. »Was beschäftigt dich?«, fragte sie vorsichtig und kam einen Schritt näher.
    »Bitte geh!«
    »Was?« Seine Worte trafen sie so unvermittelt wie ein Schlag in die Magengrube, dass sie mit einem Mal hellwach war. Sie schnitten tiefer als der schärfste Chirurgenstahl.
    »Bitte geh!«, wiederholte er noch einmal, mechanisch, einstudiert, eisig. Rachel blieb wie festgefroren stehen, sie konnte sich nicht rühren, kaum atmen. Seine Worte hatten sie bewegungsunfähig gemacht und ihr Gehirn gelähmt, wie schockgefroren. Wie passte das zusammen? Sollte das ewig so weitergehen, dieses Hin und Her?
    Auf einmal sprang er auf und Rachel zuckte zurück, unfähig, etwas zu sagen. Er stürmte an ihr vorbei auf den Flur und begann, an dem wuchtigen Dielenschrank herumzureißen, bis der sich schließlich ächzend bewegen ließ. Rachel folgte ihm in Zeitlupe. Sie begriff nicht, was sie sah, aber die Geräusche waren ihr auf verstörende Art vertraut. Das hatte sie schon einmal gehört, dieses seltsame Möbelrücken, in ihrer ersten Nacht, kurz bevor sie Grayson kennenlernte.
    »Was tust du da?«, fragte sie tonlos.
    »Ich mach's dir leicht«, erwiderte er. Die Adern an seinen Schläfen waren hervorgetreten, er hatte Schweiß auf der Stirn. Rachel war erstaunt, wie viele Einzelheiten seines Gesichts sie im Dämmerlicht wahrnehmen konnte. Zornig schlug Grayson mit der Faust auf einen hervorstehenden Stein im Mauerwerk. Dann war ein leises Klicken zu hören, gefolgt von einem schabenden Geräusch. Dort, wo der Schrank gestanden hatte, zeigte sich, dass die Tapete einen langen Riss hatte. Grayson half mit bloßen Fingern nach und legte eine Öffnung frei, groß genug, um einen Menschen hindurchzulassen.
    »Eine Geheimtür?«, fragte Rachel verwirrt. So etwas gab es doch bloß in alten Filmen und Spukschlössern. »Was hat das …?«
    »Die Treppe hier führt direkt hinunter in deine Wohnung, Rachel. Wenn ich die Büchse der Pandora öffne, bist du mittendrin in diesem Strudel. Das willst du nicht. Lass die Finger davon, geh, solange du noch kannst. Geh! Jetzt!«
    »Die Büchse der Pandora ist mir so was von scheißegal, Grayson. Was ist das denn überhaupt für ein schräger Film, hä?« Rachel wurde auf einmal unglaublich wütend. Sie konnte nicht wirklich klar denken. Vielleicht hatte er ihr vorhin das letzte bisschen Hirn weggevögelt, aber das, was ihr gerade klar wurde, fand sie schrecklich genug. »Du konntest also jederzeit diese Treppe direkt in meine Wohnung benutzen? Und das hast du auch, oder?«, fragte Rachel voller Entsetzen. »Das ist abartig! Weißt du das? Bist du früher auch immer zu Amelia geschlichen? Damit es niemand mitbekommen hat? Und dann zu, wie hieß sie noch gleich, zu Nelly … und all den anderen, von denen ich nichts weiß?«
    »Du hast ja überhaupt keine Ahnung!«, schrie er zurück. »Ich wusste nicht, dass die Wohnung schon wieder vermietet war. Ich hatte die Verwaltung gebeten, sie mit übernehmen zu dürfen, aber da war es bereits zu spät.« Er hatte die Fäuste geballt. »Und ja, ich war einmal unten. Die Nacht, bevor wir uns begegnet sind. Ich kam nach Hause und bin über eure Partyreste gestolpert. Ich musste an den Tresor und …«
    Rachel folgte irritiert seinem Blick in eine Mauernische. Dort befand sich ein unscheinbarer Stahlkasten, dessen Tür nur angelehnt war.
    Grayson redete leiser weiter. »Du hast dagelegen und geschlafen. Deine offenen Haare, dein Körper … deine Gesichtszüge – du warst so wunderschön. Ich hatte doch keinen Schimmer, dass die Wohnung schon wieder bewohnt war, und bin sofort abgehauen. Als ich oben war, habe ich den Zugang versperrt. Danach habe ich ihn nur noch geöffnet, wenn ich an den Tresor musste.« Er rieb sich die Augen. »Und jetzt geh bitte!«, sagte er noch einmal eindringlich und fiel in sich zusammen. »Geh, solange ich die Kraft habe, dich wegzuschicken.«
    »Ich lasse mich nicht schon wieder von dir fortjagen!«, brüllte Rachel trotzig. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie fühlte seinen Schmerz, die Angst und seine Wut und sie verstand nichts, und das machte sie hilflos und so fürchterlich wütend.
    »Dann komm doch, Pandora! Ich will endlich wissen, was da wirklich zwischen uns steht.« Ohne darüber nachzudenken, schnellte sie nach vorn und riss die Tresortür auf. Neben einem

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