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Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Titel: Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marnie Schaefers
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Diesen Umstand hatte er nicht bedacht. Es hätte keinen Zeugen geben dürfen. Improvisation? Auch gut. Er wusste, dass der Tote gemäß der Religion des Unbefleckten Gottes vom Pastor und einigen Bestattern allein beigesetzt werden würde. Den Angehörigen sollten auf diese Weise die schlimmsten Minuten der Trauer, jene Minuten, die die Endgültigkeit des Todes besiegelten, erspart bleiben.
    Er persönlich fand diese Tradition unpassend. Überhaupt hatte er dem Glauben an den heiligen Vater abgeschworen.
    Bringen wir das Ganze eben ein wenig indiskreter über die Bühne.
    Also löste er sich geschmeidig von der marmornen Säule in seinem Rücken und holte tief Luft. Nun, da sein Auftritt unmittelbar bevorstand, begann er unangenehm zu schwitzen.
    Die Nervosität hinterließ doch tatsächlich ihre Spuren und das, obwohl Vlain Derartiges nicht das erste Mal tat. Überhaupt war er kein Mensch, der schnell von Nervosität ergriffen wurde.
    Besser er tat den ersten Schritt gleich.
    Mit den Händen in den Hosentaschen trat er geräuschlos an sie heran.
    Eine Weile schwieg er, schaute des Effektes willen zum Sarg hinüber, dann räusperte er sich, als hätte die Ergriffenheit des Augenblicks ihm die Kehle zugeschnürt . »Er war ein guter Mensch.«
    Die erhoffte Reaktion folgte prompt. Überrascht wirbelte die blonde Frau herum.
    Als sie ihn sah, senkte sie den Blick, stammelte: »Entschuldigen Sie, ich habe Sie gar nicht bemerkt! Ich dachte, alle Gäste wären bereits gegangen. Ich wollte nicht unhöflich erscheinen.«
    Er – oder viel mehr seine dunkle Hälfte, die Wert auf derlei Besonderheiten legte – fand es faszinierend, wie unangenehm ihr das eigene Verhalten war.
    Vlain lächelte beschwichtigend. »Uns alle nimmt der Tod Ihres Vaters sehr mit.«
    » Haben Sie ihn gut gekannt?«
    » Früher.«
    » Mit Sicherheit ist es trotzdem schwer  für Sie.«
    » Nicht so sehr wie für Sie .«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Wie heißen Sie?«
    » Crevi Sullivan. Und Sie sind…?«
    » Vlain Moore.«
    Für einen Moment wirkte sie irritiert . »Sollte ich Sie kennen?«
    » Sie waren damals erst dreizehn. Ich glaube kaum, dass Sie sich daran erinnern können.«
    Eine halbe Lüge. Vlain hatte sie tatsächlich vor mehreren Jahren beobachtet und für einen kurzen, winzigen Augenblick hatten sie sich direkt gegenüber gestanden. Damals hatte er in ihrer Gegenwart unbändigen Hass empfunden, daher hatte er ihn auch heute wieder erwartet. Jung und unerfahren war er gewesen, gerade einmal fünfundzwanzig Jahre alt. Er hatte seine Ausbildung zum Fremdenführer beginnen wollen, fern seiner Heimatstadt – und war auf seiner Reise an die falschen Leute geraten.
    Vlain drängte diese Gedanken bei Seite.
    »Sie sind doch höchstens dreißig«, stellte sie unumwunden fest.
    Er zuckte mit den Schultern. Ebenso wie sie zuvor.
    Es sah nicht aus, als wollte sie sich weiter mit ihm unterhalten. Sie beendete ihr Gespräch, indem sie ihm den Rücken zuwandte und auf den Priester zuhielt, der soeben dabei war, die Blumensträuße und gut gemeinten Wegbegleiter bei Seite zu räumen. Nicht allzu zeremoniell , bemerkte Vlain.
    Er zögerte kurz. Er war niemand, der sich leicht abwimmeln ließ.
    Crevi wechselte mehrere Worte mit dem Geistlichen, die er nicht verstehen konnte. Sein Blick glitt weiter zu einem Nebengang der Zitadelle, der so angelegt war, dass man ihn, hatte man im Bauch der Kirche Platz genommen, nur erahnen konnte.
    Deswegen hatten ihn vermutlich auch zwei große, starke Kerle ausgesucht, die mit gefährlich aussehenden Waffen darin Stellung bezogen hatten.
    Vlain hatte erwartet, dass sich Vertreter der Garde blicken lassen würden. Immerhin etwas, das meinen Erwartungen entspricht. Es trieb ihn allerdings zur Eile an.
    Einer der Männer hob ein Gewehr, entriegelte es, so dass Vlain jede seiner Bewegungen genauestens verfolgen konnte. Eine stumme Drohung? Oder gar eine Aufforderung? Tatsache ist, ich muss schneller sein als sie.
    Er brummte absichtlich laut vor sich hin und machte einen Schritt in Richtung des Altars, auf dem die gerade erloschenen Kerzen standen und dünne Rauchfähnchen zur Kuppel der Kirche aufsteigen ließen.
    Verblüfft schaute Crevi ihn an . »Was tun Sie noch hier?«
    » Ich hab es nicht eilig. Wollen Sie mich etwa loswerden?«
    » Selbstverständlich nicht!« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Aber worauf warten Sie denn noch?«
    » Auf Sie.«
    » Auf mich?«
    » Ja. Was dagegen, Miss Sullivan?«
    »

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