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Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Titel: Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marnie Schaefers
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uns verstanden?«
    Sie nickte widerstrebend.
    Vlain hob die Hand und hielt die nächste Droschke an. Diese immerhin hatten die Südländer mittlerweile ebenfalls eingeführt. Bevor sie näher traten, beugte er sich noch einmal zu Crevi hinunter. Gemeinsam näherten sie sich dem Fahrer, dem er mit einem Lächeln zunickte. Sie rang sich eine freundliche Miene ab und nannte dem Mann wie vereinbart ihren Wohnort.
    Sie hatte schon verstanden.
    »Sie zuerst«, verlangte er von Crevi und wartete, bis sie auf die andere Seite der gepolsterten Sitzbank gerutscht war. Die Tür schloss sich hinter ihnen und die unnatürliche Kühle der Kutsche umhüllte sie. Die Pferde setzten sich wiehernd in Bewegung.
    » Ich kann davon ausgehen, dass Sie ihre korrekte Anschrift genannt haben, Miss Sullivan?«
    Sie schwieg eisern.
    »Gut, das nehme ich als ein ja.«
    Die Fahrt verlief in gnadenloser Stille.
    Vlain begnügte sich damit, die vorüberziehenden Gebäude, zumeist Sandsteinhäuser, zu betrachten, die ihn von ihrer Bauart her an alte Tempel erinnerten und sich grundsätzlich von jener Architektur seiner Heimatstadt unterschieden. Er musterte die Menschen, Männer und Frauen, die ihrem Tagwerk nachgingen und deren Kleidung er als unmodisch oder extravagant empfand. Unkultiviert. Das traf es besser. Er sah Ponchos, Spitz- und Schlapphüte, ausgefranste Leinenhemden, lange Hosen mit und ohne Latz, luftige Blusen und weite, absichtlich zerschlissene Mäntel mit breiten Revers, die an jene Zeiten vor dem Krieg erinnerten, als es im Süden noch von Seeräubern und Söldnern wimmelte. Viele der Frauen waren in hauchdünne, kunterbunte Kleider gehüllt, die so locker geschnürt waren, dass ihr Anblick Vlain dazu verführte, sich auszumalen, was darunter steckte. Daheim würde man sie Huren nennen. Hier schien an diesem Aufzug nichts Außergewöhnliches zu sein.  
    Fernab der Heimat war es immer wieder seltsam, obwohl man meinen müsste, dass er sich in all den Jahren daran gewöhnt hätte.
    Die Zeit verstrich. Sein Blick wanderte in Crevis Richtung. Dabei hatte er sich fest vorgenommen, es nicht zu tun! Voller Faszination begutachtete er ihr hinreißendes Profil. Sie war eine Naturschönheit.
    Er entschied, sie im Stillen zu bewundern.
    Das herzzerreißende Ende käme früh genug.
    Die Fahrt dauerte an und allmählich wärmte die heraufziehende Sonne das Wagendach.
    Crevi zupfte an ihrem hochgeschlossenen Ausschnitt, um den Stoff von der klebrigen Haut zu lösen. Aufseufzend stützte sie den Ellbogen auf eine Ablage unterhalb des Fensters. Sie ist viel zu dick angezogen , befand er.
    Kurz huschten ihre blaugrauen Augen zu der Anzeige gegenüber der Sitzbank, die knapp unterhalb der Verbindungsklappe zum Kutscher befestigt war. Munter zählten die Kärtchen die zurückgelegte Strecke und wandelten die Werte gleich daneben in Münzen um.
    Das nächste Kärtchen fiel – und Crevi brach das Schweigen. »So viel hab ich nicht bei mir.«
    » Wie?«
    » So viel kann ich nicht bezahlen«, zischte sie zurück, damit der Kutscher es nicht hörte.
    » Aber Sie haben doch mit Sicherheit zu Hause…«
    » Nein, habe ich nicht. Ich bin nicht mehr zur Bank gekommen. Ich habe nichts Bares mehr da. Alles ausgegeben für die Beerdigung. Die letzten Tage waren stressig.«
    » Verdammt.«
    » Allerdings. – Und jetzt? Was ist mit Ihnen?«
    Vlain dachte an den Geldbeutel, den er der Schneiderin auf den Tresen gelegt hatte . »Nein. Auch nichts.«
    » Herrlich.«
    » Uns bleibt nur eine Möglichkeit.«
    » Und die wäre?«
    » Wir verschwinden.«
    » Wie bitte?«
    » Sobald der Wagen das nächste Mal hält, steigen wir aus und rennen weg.«
    Er erntete einen fassungslosen Blick . »So etwas kann man doch nicht machen…«
    » Man kann alles.«
    » Aber der Mann kann uns anzeigen oder…«
    » Hm…Ich bin ohnehin schon vorbestraft.«
    » Das wundert mich ehrlich gesagt nicht im Geringsten.« Crevi fuhr sich durch das blonde Haar, das sich längst aus dem kunstvollen Knoten gelöst hatte.
    Vlain warf ihr ein aufmunternd gemeintes Grinsen zu . »Nicht, dass Sie glauben, ich täte so was öfter.«
    Sie lachte . »Tu ich nicht.«
    Keine Widerworte? Was wollte er mehr?
    »Da vorne.«
    Crevi nickte als Zeichen, dass sie verstanden hatte.
    Die Kutsche wurde langsamer, dann kam sie zum Stillstand und wartete, bis die Fußgänger vorüber waren. Eine junge Familie, die, nach den Körben mit Obst und Gemüse zu urteilen, die sie bei sich trugen, auf dem Weg vom Markt

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