Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Nein…« Gespielt verzweifelt warf sie die Hände in die Luft und lachte. »Ich weiß nur nicht, was das für einen Sinn hätte.«
Es gefiel ihm, dass er sie zum Lachen gebracht hatte.
» Muss alles einen Sinn haben?«
» Ich weiß nicht, was Sie mir damit sagen wollen.« Noch immer zupfte ein Lächeln um ihre Lippen. Dabei bildeten sich ganz leichte Grübchen in ihren Mundwinkeln, die Vlain dazu brachten ebenfalls zu lächeln.
» Kommen Sie näher«, bat er sie.
Sie entgegnete : »Vielleicht will ich das gar nicht.«
Es war ein surrealer Moment für Crevi. Soweit hatte Vlain sie durchschaut. Sie ließ sich von ihm, dem völlig Fremden, ihre Trauer nehmen und zu einem Verhalten verführen, das gar nicht typisch für sie war.
»Mir zuliebe.«
Sie spannte ihn noch einen Moment auf die Folter, dann schlenderte sie zu ihm hinüber.
»Sie sind frech«, sagte sie schließlich und betrachtete ihn nun aus der Nähe.
» Sie haben sich darauf eingelassen.«
Crevi wurde ernst . »Ich bin furchtbar verwirrt. Seit mein Vater tot ist…«
» Ich weiß, wie Sie sich fühlen.«
»Sie haben auch jemanden verloren ?«
»Ja , meine Schwester.« Seine Miene verdüsterte sich.
» Das tut mir leid.«
» Muss es nicht. Ist schon eine Weile her.«
» Trotzdem.«
Wieder herrschte Stille zwischen ihnen. Vlain wollte etwas sagen, aber ihm fiel absolut nichts ein. Für gewöhnlich wusste er immer etwas zu sagen! Zu jeder Person, zu jedem Thema und bei jeder Gelegenheit. Er nahm an, Crevi würde sich wieder von ihm abwenden.
Aber diesmal blieb sie.
Eine Bewegung am Rande seines Blickfelds, lenkte seine Aufmerksamkeit erneut auf den Gang an der Seite des Saales.
Die beiden Meuchelmörder waren immer noch dort.
Er fragte sich, worauf sie warten mochten.
Geschwind trat er so nah an Crevi heran, dass sich sein Mund direkt über ihrem Ohr befand. Ob seiner plötzlichen Aufdringlichkeit wich sie zurück. Doch er hielt sie fest, ehe sie sich von ihm entfernen konnte, bat sie innezuhalten: »Hören Sie mir zu.«
Sie nickte, zögerlich.
»Die Männer dort drüben.« Er nickte kaum merklich in erwähnte Richtung. »Sie sind gekommen, um Sie zu töten.«
Crevi folgte seinem Blick.
Als sie die maskierten Kerle sah, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. Bevor sie etwas sagen konnte, fuhr er fort: »Fakt ist, Sie müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
Crevis Augenbrauen wanderten in die Höhe . »Sie scherzen.«
» Nein!«, widersprach er. Hatte er sich denn nicht klar genug ausgedrückt?
Das Dunkle, Ungeduldige, Widerspenstige in ihm geriet in Wallung. Vlain musste die Hände zu Fäusten ballen, um sich zu bezähmen – aber da hatte er Crevi schon am Arm gepackt und sie näher zu sich heran gezogen. Gleich darauf hasste er sich selbst ein klein wenig mehr.
» Ich warne Sie nur ein einziges Mal«, zischte er ihr durch die zusammengebissenen Zähne zu. »Bei mir gibt es keine zweiten Chancen. Nehmen Sie meine Hilfe an, oder nicht?«
» Jetzt machen Sie mir Angst«, Crevis Stimme zitterte.
So bedrohlich hatte er doch gar nicht klingen wollen…
Wie er seinen Makel hasste!
» Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
» Bitte. Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen.« Crevi war den Tränen nahe.
Vlains Gesicht zuckte kurz. Die eine Seite in ihm erfüllte bei diesem Anblick ein abstruses Glücksgefühl. Die andere widerte dieses Gefühl so sehr an, dass er es selbst kaum aushielt. Er verabscheute sich. Was musste Crevi da erst denken? Er war so ein herzloses Ungeheuer.
»Entscheiden Sie sich. Für den Tod oder meine Unterstützung«, knurrte er.
» Ihre Unterstützung«, antwortete sie und blickte zu Boden.
» Die richtige Entscheidung.« Er konnte nicht verhindern, dass eine Spur Spott in seiner Stimme mitschwang. »Wir werden nun in aller Ruhe zum Ausgang gehen. Verabschieden Sie sich bei dem Priester.«
Wortlos tat Crevi wie ihr geheißen. Danach kehrte sie an seine Seite zurück. Wenn auch trotzig. Ungeachtet dessen hielt er ihr den Arm hin. Funkelte sie an. Stirn runzelnd hakte sie sich bei ihm unter. Nicht zuletzt, weil im Dunkeln zwei Mörder auf sie warteten.
Er war das kleinere Übel. Hoffentlich!
Vlain fiel es leicht, Crevis Gedanken zu erraten.
Sie steuerten auf die Doppeltür zu.
Die Blicke der anderen in ihrem Rücken.
Wäre Vlain jemand gewesen, der zur Ängstlichkeit neigte, hätte sein Herz mit Sicherheit Purzelbäume geschlagen. Er hätte sich ständig umdrehen müssen, um
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