Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Tiefen. Furcht.
Vlain zerriss es innerlich. Sie hatte Angst, alles zu verlieren und nur er konnte sie davor bewahren. Er wusste, wie wichtig ihr der Rang in der Bande war . »Was muss ich tun?«, fragte er mit belegter Stimme.
» Sie töten und unserem Häuptling das Heilmittel beschaffen.«
» Das ist nicht möglich…sie ist der Schlüssel zum Gegengift. Ohne sie ist der Weg versperrt.«
» Dennoch ist es möglich, dieses Problem zu umgehen. Die Funktionsweise der Gabe der Schöpfung ist bekannt. Jemand, über den wir Kontrolle ausüben, könnte sich dieser Anweisungen bedienen und das zuwege bringen, was nötig ist. Danach würde man sich dieser Person entledigen. Nach dem Tod der momentanen Schöpferin würdest du die Perlen und notwendigen Informationen an dich bringen können.« Ihre Züge verrieten Verletzlichkeit. »Vlain, es muss so geschehen. Es ist die einzige Möglichkeit. Tu es zum Wohle der Menschheit, tu es für dich, tu es für…mich.«
Ihre Stimme war nunmehr ein Flüstern.
»Liwy…«
Kaum merklich hatte das Gespräch eine völlig andere Wendung genommen, als Vlain vermutet hatte. Alles, bei dem er sich absolut sicher gewesen war, ergab plötzlich keinen Sinn mehr. Für einen winzigen Augenblick glaubte er, unter der Last des Ganzen zusammenzubrechen. Er fühlte sich heillos überfordert.
Halt. Er brauchte irgendetwas, an dem er Halt finden konnte.
»Hör mal, Liwy…«, murmelte er, während sich der Platz um ihn zu drehen begann. War ihm der Qualm der Feuer und der Geruch der Leichen zunächst nicht aufgefallen, ließ er ihn nun schwindeln.
Reiß dich zusammen! , versuchte er, die Fassung zu bewahren.
Du liebe Güte, Vlain, du bist erbärmlich , schalt ihn sein Dämon, der sich in all dem Chaos einen Weg an die Oberfläche bahnte.
Sei still.
Du merkst, ohne mich hast du nicht die geringste Macht gegen diese Gefühle. Warum lässt du zu, dass sie dich besiegen? Mit meiner Hilfe…
Ich sagte: Schweig! , fuhr er seinem Dämon dazwischen.
Wir müssen es beenden. Wir haben es schon viel zu lange vor uns her geschoben. Wir hatten unseren Spaß, jetzt ist die Zeit der Abrechnung gekommen.
»Vlain, bitte. Sag doch etwas!«
Zu viel.
Viel zu viel.
Tu was sie sagt. Du weißt, es ist das Richtige. – All diese Gefühlsduseleien machen dich nur blind für das Offensichtliche. Wir waren stets ein gutes Team, wieso hast du mir abgeschworen?
Das , stieß er hervor, weißt du ganz genau. Du sollst verschwinden! Du bist nicht ich! All diese Gedanken stammen nicht von mir! Für einen winzigen Moment gab er sich dem Erfolg hin.
Sekunden darauf lag er keuchend am Boden.
Den Schmerz, der nun folgte, hätte er niemals für möglich gehalten.
Mit brachialer Gewalt explodierte es in seinem Kopf. Ließ ihn blind werden, aufkeuchen und in die Knie gehen. Es warf ihn mit ungeheurer Kraft von den Beinen, als wäre der Blitz selbst in seinem Innersten entzündet worden. Den Aufprall spürte er nicht, nur das unersättliche nicht abreißende Band der Qual. Hätte er dem ein Ende bereiten können, er hätte sein Leben dafür gegeben.
Panik. Panik und Schmerz. Nichts sonst. Er brauchte etwas, irgendetwas, damit der Schmerz ihm nicht den Verstand raubte. Intuitiv dachte er an Crevi. Er durfte nicht aufgeben. Ihretwegen. Er war nicht länger diese kleine unbedeutende Person, die sich seinem Dämon unterwarf. Er war mehr als das, er hatte andere Perspektiven. Er war nicht auf ihn angewiesen. Das Einzige, das er wirklich brauchte, war die Frau, die er liebte.
Es dauerte eine Weile, bis Vlain registrierte, dass die Pein verflogen war. Liwy war direkt neben ihm. Ihre Stirn war vor Sorge zerfurcht. »Dein Dämon?«, vergewisserte sie sich behutsam.
Er nickte schwach. Er konzentrierte sich darauf , ihr Gesicht zu erfassen und tief ein und aus zu atmen. Verwirrt stellte er fest, dass ihre Augen tränennass waren. »Du weinst ja…«
» Verdammt, du hast mich erwischt«, lachte sie halbherzig und machte sich rasch daran die feuchten Spuren zu beseitigen.
Hätte Vlain es nicht besser gewusst, hätte er angenommen, dass sich sein Magen zu einem unentwirrbar festen Klumpen zusammengezogen hatte. Wie konnte er Liwy helfen, ohne gleichzeitig Crevi wehzutun?
»Weißt du was?«
Er schüttelte den Kopf.
»All das könnte ein Ende haben. Schon bald könntest du von deinem Dämon befreit sein. Wir alle könnten frei sein und in einer Welt leben, die sich fortan nicht mehr selbst zerstört. Wenn es keine Teufelskinder
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