Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Titel: Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marnie Schaefers
Vom Netzwerk:
Vergangenheit loslassen, um in der Gegenwart leben zu können.« Er lächelte kurz. »Außer man verscherzt es sich mit der Gegenwart so herrlich wie ich.«
    » Dann habe ich ja eindeutig bessere Aussichten als du«, murmelte ich.
    » Exakt. Und…Adrian?« Vlain erhob sich und streckte die in der Kälte unbeweglich gewordenen Glieder. »Glaub nicht, das mit Jántre wäre einfach gewesen.«
    Ich nickte feierlich . »Wie könnte ich?«
    Vlains Mundwinkel zuckten . »Wenn es dich nicht stört, würde ich gerne eine Weile alleine sein.« Er hielt mit dämonischem Gleichgewichtsinn die Balance. Dann nahm er Maß und stieß sich mit einem Satz in die Nacht hinein. Ich blickte ihm nach, in Gedanken versunken, und lächelte, als ich nur wenig später auf dem gegenüberliegenden Flachdach die Silhouette eines zottigen Wolfes erkannte, die sich dunkel vor dem weißen Mond abhob. Und fragte mich, wohin uns all das noch führen würde.

9. Mord
     
    Es war Freitagabend. Yve saß auf einem altmodischen Schreibtischstuhl vor einer verspiegelten Glasscheibe, die Jayden und Ennyd unter anderem in der Feuergrube erworben hatten, und betrachtete ihr Spiegelbild. Unentschlossen strich sie sich das Haar nach hinten, dann wieder nach vorne und griff schließlich nach einer Bürste und kämmte es erneut. Dabei begutachtete sie ihre Schminke, die sich dezent ihrem Teint anpasste, und blinzelte mit den verlängerten Wimpern. Abschließend griff sie nach ihrem roten Lippenstift, trug ihn schwungvoll auf und machte einen Kussmund.
    Beinah hätte sie laut aufgelacht. Verkniff es sich noch im rechten Augenblick und legte gar unschuldig die Hände im Schoß zusammen.
    Sie lächelte. Zupfte an ihrem Korsett herum und prüfte seinen Sitz. Das dunkelrote, eng anliegende Kleid, das sie trug, bauschte sich elegant am Saum und ließ gerade genug Bewegungsfreiheit, dass sie notfalls darin kämpfen konnte. Das hatte sie Jayden, der die Einkäufe für den heutigen Abend gewissenhaft getätigt und dem Schneider die Anweisungen gegeben hatte, zu verdanken.
    Zwar würde sie an diesem Abend anstelle ihres Degens mit zwei schmalen Stiletten vorlieb nehmen müssen, die geschickt gegen die Stangen in ihrem Korsett ausgetauscht worden waren, aber tun würden diese es genauso gut.
    Anfänglich hatte sie sich sehr misstrauisch gegenüber Ennyds Plan gezeigt, aber nun…Yve musste, wohl oder übel, zugeben, dass sie in ihrer Rolle aufging. Der Gedanke an Willem Irrwigs verdutztes Gesicht, wenn er herausfände, dass sie ihn in einen Hinterhalt gelockt hatte, erfüllte sie bereits jetzt mit einem gesunden Kitzel an Aufregung. Sie fühlte sich lebendig, gespannt und ein wenig freute sie sich sogar darauf, etwas Verbotenes zu tun. Ganz ähnlich dem Kitzel in Ral’is Dosht, den sie jedes Mal von Neuem vor einem Aufstand verspürt hatte.
    Es tat schlichtweg gut. Fühlte sich fast, ganz kurz nur, wie Zuhause an.
    »Perfekt«, befand sie schließlich.
    Yve erhob sich, blickte auf ihre Füße, die in hochhackigen Schuhen steckten.
    Sie schnappte sich ihre Lederjacke, die so gar nicht zu ihrem sonstigen Aufzug passte, und stieg die Treppen des Wachturms hinunter in die Küche. Vlain und ich warteten bereits auf sie.
    »Na, wie sehe ich aus?«, erkundigte sie sich und blieb am Fuße der Treppe stehen.
    Vlain runzelte die Stirn, machte dann : »Äh…«
    Ich sagte schnell : »Gut.«
    Yve blies ein wenig enttäuscht die Backen auf und schlenderte auf uns zu. Die Tür zur Kellertreppe knarrte und Jayden steckte den Kopf heraus, erblickte sie und grinste : »Du siehst verdammt heiß aus, Yve.«
    » Danke.« Sie musste ebenfalls grinsen.
    » Eigentlich wollte ich nur eben Bescheid sagen, dass Ennyd mit den Ausweisen fast fertig ist«, räusperte sich der Bettler schließlich und sah auf die Zange, die er in der Hand hielt. Eine Übergangshandlung, mehr nicht.
    » Wofür ist das Ding da?«, erkundigte sich Yve.
    » Oh, damit kann man allerlei gemeine Dinge anstellen«, jetzt leuchtete ein geheimnisvolles Funkeln in Jaydens Augen auf. »Aber das lassen wir mal den lieben Will herausfinden.«
    Sie nickte. Sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich wissen wollte, was es damit auf sich hatte. Ebenso wenig, ob sie den Keller an diesem Abend überhaupt betreten wollte. Es behagte ihr immer noch nicht ganz, dass sich der Mann, den sie bis hierher für einen netten Kerl gehalten hatte, als durchaus passabler Meister im Foltern herausgestellt hatte. Jeder Mann , erinnerte Yve sich einmal

Weitere Kostenlose Bücher