Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Bescheid, sollte er sich heute bereits blicken gelassen haben. Erst danach würde sie sich in die oberen Stockwerke begeben.
Vlain und ich würden in der Zwischenzeit die Umgebung im Auge behalten und nach möglichen Gefahren Ausschau halten. Darum brauchte sie sich schon einmal nicht zu sorgen.
Yve schlenderte zur Theke hinüber und ließ sich auf einem Barhocker nieder. Sie bestellte sich einen Cognac und wartete, bis die Bedienung mit ihrer Bestellung zurückkehrte. Dann schenkte sie dem jungen Mann ein Lächeln, nippte an ihrem Getränk und erkundigte sich beiläufig nach ihrer Zielperson.
» Sind Sie eine Freundin von ihm?«, erwiderte der Gefragte daraufhin etwas verunsichert.
» Noch nicht.«
» Er ist schon im Haus«, bekam sie daraufhin als Antwort. »Auf der Galerie vermutlich.«
» Vielen Dank.«
Sie schaute über die Schulter, fand mich auf der anderen Seite des Raumes und machte eine Andeutung nach oben. Augenblicklich begab ich mich zur Treppe und verschwand aus ihrem Blickfeld.
Soweit, so gut.
Yve bemerkte den Fremden erst, als er direkt vor ihr stand. Es war sein höfliches, vielleicht auch leicht aufdringliches Räuspern, das sie auf ihn aufmerksam werden ließ. »Hi«, sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Er war groß, hatte rotes Haar und ein irgendwie jungenhaftes Gesicht.
» Hi?«, entgegnete sie ein wenig perplex, lächelte rasch. Er sah Reird so unheimlich ähnlich, das sie bereits ganz blass geworden war.
» Ist alles okay?«
» Ja. Ja, natürlich«, sie winkte ab und nahm einen Schluck von ihrem Cognac.
» Willst du dann vielleicht tanzen?«
» Tanzen?«
» Ja? Mit mir?« Er zwinkerte ihr zu, was ein wenig unbeholfen wirkte.
Yve hätte sich selbst vor den Kopf schlagen können. Wieso hatte sie damit nicht gerechnet? Schnell nickte sie – und ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen.
Nur wenig später fühlte sie sich frei und unbeschwert wie schon lange nicht mehr. Sie lachte. Die Musik schien sie alles für einen Augenblick vergessen zu lassen. Sie genoss seine Berührungen, seine Nähe, den Rhythmus, die Bewegungen, das Leben selbst. Seine Hand schob sich auf ihre Hüfte und zog sie eng an ihn heran. »Du kannst vielleicht tanzen, Süße«, hauchte er dicht an ihrem Hals und sein Atem kitzelte ihre Haut. Sie legte ihm die Arme um den Hals und zog ihn drängend zu sich herunter. Ehe sie ihre Lippen jedoch auf die seinen pressen konnte, registrierte sie aus den Augenwinkeln, wie sich ein Mann, auf den die Beschreibung des Professor Irrwigs überaus gut passte, die Treppe zur Galerie hinunter schob.
Abrupt löste Yve sich von ihrem Tanzpartner und trat einen Schritt von ihm zurück. »Ich muss weg«, begann sie entschuldigend und deutete dorthin, wo sie Vlain vor wenigen Minuten noch erspäht hatte. »Mein Bruder wartet. War nett mit dir. Tschau.« Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und drehte ihm den Rücken zu.
Sie hörte nicht auf seine Rufe, die ihr etwas verspätet folgten. Sie ignorierte das »Hey, was soll das? Wohin gehst du?« eiskalt und achtete nicht auf das »Wie heißt du eigentlich? Sehen wir uns wieder?«, sondern hielt zielstrebig auf den Dämon zu. Erst, als sie sich sicher war, dass der Kerl sie aus den Augen verloren hatte, begab sie sich über Umwege zurück zu ihrem verlassenen Platz an der Bar.
Kaum hatte sie sich dort erneut niedergelassen, spürte sie einen verräterischen Luftzug direkt hinter sich. War der Korb, den sie ihrer Abendbekanntschaft gegeben hatte, denn nicht deutlich genug gewesen? Jemand tippte Yve auf die Schulter, woraufhin sie entnervt herumfuhr, bereits mit einer Beleidigung auf den Lippen, die ihr sogleich im Halse stecken blieb.
Es waren meeresblaue Augen in die sie blickte und Lippen wie Rosenblätter, die sich zu einem süßlichen Lächeln verzogen . »Yvena Catah?«, versicherte sich die Schlange und legte den Kopf ein wenig schräg.
Yve nickte nur, völlig überrumpelt.
»Freut mich dich kennen zu lernen. Ich bin Liwy.« Sie zwinkerte ihr zu. »Liv, wenn du magst. Darf ich dich Yve nennen? Ich würde gerne etwas mit dir besprechen.«
» Ich…äh…habe nicht die leiseste Ahnung, was Sie von mir wollen«, war alles, was Yve mühsam hervorbrachte. Dabei konnte sie nicht verhindern, einen gehetzten Blick über die Schulter zu werfen. Ob Vlain und Adrian in der Nähe waren?
Liwy lachte kurz auf, hell und glockenklar . »Wie dumm von mir, entschuldige. Das muss dich alles ein wenig unvorbereitet
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