Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
musterte sie und ihm war anzusehen, dass er sich über sie lustig machte.
»Was?«
» Gar nichts, Crevi Sullivan, gar nichts.«
» Lass uns gehen.« Sie schnappte sich ihre Schuhe, ihre Strumpfhose und ihre Strickjacke und stolzierte an ihm vorbei. Hinter sich hörte sie ihn in sich hinein kichern. »Lach nicht.«
» Tut mir leid.«
» Lüg nicht.« Hitzig brachte sie ein wenig Abstand zwischen sie. Vlain musste ein Stück laufen, um sie wieder einzuholen.
» Du verlangst eine ganze Menge von mir, findest du nicht?«
» Ganz und gar nicht. Es kann kaum schaden, wenn deinem Spatzenhirn mal ein bisschen Anspruch abverlangt wird.«
» Arrogantes Weib«, entgegnete er gereizt. Seine Blicke schlugen Löcher in ihren Rücken, so dass sie zusammen zuckte. »Man sollte meinen, du als Tochter des Schöpfers, besäßest mehr Anstand und Höflichkeit.«
» Wie bitte?« Crevi wirbelte mit vor Wut verzerrtem Gesicht herum. »Bezeichne mich nie wieder als Teufelskind!«
» Du verstehst nicht das Geringste.«
Es erschien ihr auf einmal nicht mehr so klug, ihn hinter sich zu wissen. Eine unmittelbare Gefahr hing greifbar in der Luft.
»Gott bewahre, du bist ein höllenverbrannter Lügner! Jedes deiner Worte ist durchzogen von Verrat und Falschspiel.«
Crevi wusste selbst nicht, wieso sie so sauer war. Aber sie konnte sich beim besten Willen nicht beruhigen.
Er schnaubte. »Du kennst mich doch überhaupt nicht! Wie kannst du es wagen, über mich zu urteilen?« Nun war Vlain direkt neben ihr.
» Da gibt es nicht viel zu wissen. Mit Leuten wie dir, gebe ich mich für gewöhnlich gar nicht ab.«
» Du hältst dich für etwas Besseres?«, brauste er auf. »Du bist nichts weiter als eine undankbare Made, die meine Hilfe nicht im Geringsten verdient.«
Das traf Crevi. Und das viel härter, als sie es für möglich gehalten hätte.
Ganz im Gegenteil.
Sie hielt sich nicht im Geringsten für etwas Besseres.
Plötzlich fühlte sie sich elend und schuldig. Klein und unsicher. Sie hob die Hand, winkte ab. »Entschuldige! Ich weiß nicht, warum ich all diese Dinge gesagt habe.« Sie senkte den Blick. .
Die Spannung zwischen ihnen verflüchtigte sich so rasch, wie sie gekommen war.
»Ich schon. Du vermisst ihn, nicht wahr?«
Sie blinzelte. War sie denn so leicht zu durchschauen? Er musste in ihrer Miene lesen können wie in einem offenen Buch. Für einen Moment war da der unbegreifliche Schmerz, der sie auseinander riss. Es fühlte sich so falsch an. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass ihr Vater sie verlassen hatte. Endgültig. Es schnürte ihr die Kehle zu.
Sie fühlte, wie die Lebendigkeit der Leere wich.
» Du wirst darüber hinwegkommen«, sagte Vlain wenig ermutigend.
Sie musste schniefen. Unterdrückte den Impuls nicht. Es war gleichgültig.
Oh, wie sehr sie sich nach Hilfe sehnte. Nach Trost. Danach nicht aufzugeben. Sie wusste: Allein würde sie es nicht schaffen. Also straffte sie die Schultern, blinzelte die Tränen fort und betete, dass ihre Stimme nicht mehr zittern möge.
» Vlain?«, fragte sie.
» Ja?«
» Kannst du mir helfen?«
Sie hatte all ihre Hoffnung in diese eine Frage gelegt und daher ärgerte es sie maßlos, als er anstelle einer Erwiderung zu lachen anfing . »Was ist so komisch?«
» Oh, gar nichts.«
» Ich möchte es wirklich wissen«, beharrte sie und wusste genau, dass sie sich dabei wie ein kleines Mädchen anhörte.
» Du willst meine Hilfe also doch? Auf einmal? Einfach so?«
» Schätze schon.« Crevi versuchte, eine unerschütterliche Miene aufzusetzen.
» Tja. Jetzt will ich nicht mehr.«
Sie merkte, dass er feixte.
»Bitte.«
» Wie sehr willst du, dass ich dir helfe?«
» Lass doch diese Spielchen!«
» Ich will sehen, wie dringend du mich brauchst.«
» Ich brauche dich überhaupt nicht, du Schwachkopf. Genauso gut könnte ich den nächst Besten auf der Straße fragen!«, zischte sie.
Er grinste herausfordernd.
Crevi richtete den Blick nach vorn und erkannte das Schild ihres Kräuterladens, auf dem ein Korb mit den verschiedensten Mittelchen abgebildet war. Fröhlich pendelte der Aushänger im Wind über der weiß gestrichenen Tür. Die Fenster waren verdunkelt, da sie in den letzten Tagen keine Kunden empfangen hatte.
» Wir sind da.«
Sie zeigte auf die Tür.
Vlain beäugte das Geschäft und lächelte. »Süß, nur ein wenig leblos.«
» Der Laden spiegelt mich perfekt wieder«, stellte sie fest. Dabei dachte sie traurig daran, wie leer und kalt
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