Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
so, Yvena!«, herrschte Liwy sie urplötzlich an und ließ sie vor Schreck zusammenzucken. »Wir alle haben Wünsche, oder etwa nicht? Was ist deiner?«
» Nichts, was in eurer Macht liegen würde.«
» Bist du sicher?«
Yve blieb standhaft: »Absolut.«
» Du willst Erlösung, oder etwa nicht?«, machte Liwy ihr schließlich einen Vorschlag. »Doch das willst du, ich sehe es dir an. Das wollen wir doch alle. Deshalb bist du überhaupt hier, richtig? Sag mir, vertraust du deiner Schöpferin?«
» Selbstverständlich!«, empörte sie sich. »Ist das alles? Sie wollen versuchen, mein Vertrauen in Crevi zu erschüttern?«
» Ja, tatsächlich ist es das. Weißt du, Yve, ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass Crevi eine nette junge Frau ist. Natürlich hat sie ein gutes Herz und alles, was eine Heldin sonst noch mitbringen muss. Und in deinen Augen bin ich natürlich die Schurkin, deren Seele schwarz vor Verblendung ist und die das Unheil über die Welt bringen will. Das kennen wir doch alle? Aber so ist es nicht!« Liwys Stimme hob sich gefährlich. »Ich habe gespürt, dass ihre Macht gewachsen ist. Ich kann es fühlen, jeden verdammten Tag! Und mit ihr werden die Menschen schwächer. Sie siechen dahin und sterben! Sie…«
» Die Menschen sterben?«, hakte Yve verwirrt nach. »Wie meinen Sie das?«
» Du hast nicht die geringste Ahnung, nicht wahr?« Die wunderschönen Augen der anderen glitzerten feucht. Entweder , durchzuckte es Yve, ist sie eine verdammt gute Schauspielerin oder aber…
» Nein. Ich weiß nichts von alledem.«
Liwy stieß einen theatralischen Seufzer aus . »Dann beginnen wir am besten am Anfang. Wie gesagt, die Menschen sterben. Tag für Tag nimmt ihr Sterben zu. Willst du wissen wieso?« Ein Nicken. »Es ist nicht mehr genug Magie in der Welt. Dir ist doch bekannt, dass sich überall um uns herum, allgegenwärtig in der Luft Magie befindet? Winzig kleine Partikel, die uns alltäglich umkreisen und die von uns eingeatmet und >verbrannt< werden. Jeder Mensch verbraucht täglich eine bestimmte Anzahl dieser Partikel, nimmt sie auf und zieht aus ihnen sein Lebenselixier. Das ist ganz natürlich und lebensnotwendig. Aber weißt du, was passiert, wenn ein Mensch nicht mehr genug davon aufnimmt? Er wird krank und stirbt im schlimmsten Fall; das kann zuweilen vorkommen, manche Menschen haben größere Probleme mit der Aufnahme der Magie, andere weniger. Je älter der Körper wird, desto schwieriger fällt es ihm, die Magie in sich aufzunehmen, deshalb sind die Menschen sterblich. Wenn ihre Magiezufuhr zu gering ist, besitzt der Körper nicht mehr genug Leben und stirbt; offiziell an Altersschwäche. Ganz ähnlich ist es mit der Natur, mit unserer Umwelt, auch sie ernährt sich von Magie. Sollte die Magie eines Tages ganz versiegen, wird die Welt um uns herum zu sterben beginnen, sie wird fad und öde werden. Es wird kein Leben mehr geben. Punktum.«
» Gut«, meinte Yve schließlich und versuchte, die vielen Informationen zu verdauen, sie nach einer Lüge zu durchsuchen und das Spiel der Dämonin zu durchschauen, aber bisher konnte sie keinen Haken an ihren Worten entdecken. »Was hat das alles mit der Schöpferin zutun?«
» Möchtest du die ganze Geschichte hören?«
Ihr Kopf bewegte sich ganz von selbst von oben nach unten. Yve fühlte sich ein wenig entrückt, als sähe sie sich selbst von außerhalb. Die gedämpften Kerzen, die in gusseisernen Halterungen neben dem Spiegel angebracht waren, tauchten das Gesicht der Fremden in einen wundersamen Glanz und als sie mit sanfter Stimme zu erzählen begann, fühlte Yve sich in ihre Kindheit zurückversetzt, in der sie den phantastischen Geschichten ihrer Tante abends vor dem Zubettgehen gemeinsam mit ihrem Cousin gelauscht hatte.
Es war der reinste Irrsinn!
Die gedämpften Geräusche der Feiernden verdampften wie Schall und Rauch in dieser unwirklichen Welt, die plötzlich gar nicht mehr bedrohlich wirkte.
» Vor vielen, vielen Jahren war der Mann, den wir später als den Schöpfer kennenlernen durften, nichts als ein kleiner Forscher und Wissenschaftler.«
Ganz harmlos. Er lebte ein wenig abgeschieden, in einer Hütte in einem tiefen Wald, ganz in der Nähe kleiner Ortschaften, mit denen er regen Kontakt pflegte. Er war ein netter junger Mann, ein wenig seltsam vielleicht und ein Einzelgänger, aber nett. Sein Geld verdiente er sich als Dorfheiler. Manchmal kamen die Menschen zu ihm, manchmal, bei schlimmeren Krankheiten, ging er
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