Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
gegenüber verhielten. Wenn man sie auch nie wie eine Adelige behandelt hatte, so doch stets mit Respekt. Nur weil sie kein ˃Mc< oder >de< im Namen hatten? Sie wollte Vlain schon sagen, dass sie es später noch einmal versuchen sollten, aber er hörte nicht auf sie.
» Was denkt ihr, wer ihr seid?«, rief er zum Tor hinauf und daraufhin kamen beide Soldaten wieder an die Brüstung. »Ihr habt kein Recht, uns den Durchgang zu verwehren.« Seine Stimme nahm einen drohenden Unterton an und nun wusste Crevi wie er klang, wenn er wirklich verärgert war.
Der Glatzköpfige lachte : »Was denkst du wer du bist, du Wicht? Wir dulden keine Spatzen in der Stadt!«
» Ich warne euch. Ein letztes Mal.«
» Jetzt reicht es mir«, meinte der ältere der beiden Männer und langte hinter sich.
Mit Entsetzen erkannte Crevi, dass er eine Armbrust in Händen hielt. Der Bolzen war bereits eingespannt.
Der Soldat richtete die Waffe auf Vlain. Das Herz rutschte ihr in den Magen.
Er allerdings blieb vollkommen ruhig.
» Du willst mich erschießen?«
Er klang sogar belustigt!
»Etwas anderes hat Gesindel wie du nicht verdient.« Der Mann hob den Finger und betätigte den Abzug. Das Geschoss raste direkt auf sie zu.
Es war fast heran, da schnellte Vlains Hand an ihrem Gesicht vorbei und fischte es geschmeidig aus der Luft.
Die Männer auf dem Wehrgang erstarrten.
» Würdet ihr uns nun bitte hinein lassen?«, wiederholte Vlain mit derselben Unschuld, die er auch ihr gegenüber schon hatte anklingen lassen. Er ließ den Bolzen neben ihnen zu Boden fallen.
Der Mann auf der Brustwehr ließ die Waffe sinken.
Sein Komplize betätigte den Öffnungsmechanismus.
Crevi war sich selbst nicht sicher, ob sie sich das ganze nur eingebildet hatte.
Dann öffnete sich das Tor.
Sie ritten hindurch.
Vlain zwinkerte ihr zu und sie seufzte.
Etwas verlegen sagte sie : »Ich dachte schon, dies wäre das Ende.«
» Ach was, Miss Sullivan!«, er winkte ab. »Es gibt so viele Möglichkeiten zu sterben. Und erschossen zu werden, ist nicht unbedingt die, die mir am besten gefällt.«
Sie verkniff es sich ihn zu fragen, welche ihm denn am besten gefalle.
6. Böse Menschen und dunkle Taten
In Wahrheit gibt es kein Gut und Böse. Es gibt keine Helden und keine Schurken. Ob man zu den Guten oder den Bösen gehört, hängt ganz vom Auge des Betrachters ab. Die Menschen, die den offiziellen Normen und Werten zuwider handeln, werden meist als böse angesehen, obwohl sie selbst nicht behaupten würden, dass sie böse Menschen sind. Jedes Vergehen, dessen Beweggründe die Köpfe der Unwissenden nicht zu erreichen vermag, wird mit Verachtung bestraft. Auch diejenigen, die bei genauerer Betrachtung unschuldig sind, werden verbannt und gemieden.
Auch ich bin in den Augen der Welt böse.
Ich bin lediglich ein schlechter Traum, den die meisten schweißgebadet bei Seite wischen wollen. Ich bin unliebsame Gesellschaft, die öfter gemieden, als erduldet wird.
Doch wen ich auserwähle, der kann mir nicht entkommen.
Das erste, was sie nach ihrer Ankunft taten, war in einem kleinen Straßencafé zu Mittag zu essen. Dabei sprachen sie recht wenig, was Vlain nicht weiter störte.
Ihm – und seinem Dämon – genügte es, Crevi schweigend betrachten zu können. Es irritierte ihn, dass sie eine solche Wirkung auf ihn hatte, aber sobald er sie anschaute, hatte er das Gefühl, nie wieder den Blick von ihr wenden zu können. Das hatte gar nicht so sehr mit Zuneigung zu tun. Der primitive Teil seiner selbst wurde schlicht von ihr gefesselt.
Und dieser Teil erfreute sich oft an den unscheinbarsten Dingen.
Es war ein Fehler, dass er sie die ganze Zeit so ansah.
Wenn das so weiterging, würde sie sich noch etwas auf sein Verhalten einbilden.
Und das sollte sie wirklich nicht.
Er…war kein guter Mensch.
Die Aufgabe bestand darin, ihr Vertrauen zu gewinnen und nicht, sie zu umwerben.
Als Crevi etwas unmotiviert in ihrem Gemüse herumstocherte, lächelte er.
Wie selten kommt es vor, dass eine wie sie so harmlos wirkt? , wandte sich sein Dämon an ihn. Sie muss ganz besonders mächtig sein.
Er verzog das Gesicht, als hätte er einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Es sollte ihm nicht möglich sein, sich zu Wort zu melden. Sie weiß es noch nicht , dachte er zufrieden.
Wirst du es ihr sagen?
Das ist nicht meine Aufgabe.
Ah, ein glatter Treffer also. Kalt und herzlos, präzise und schmerzlos. Ohne großes drum und dran.
Professionell soll es
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