Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Vlain an die Reise dachte, wurde ihm schwindelig. Seine beiden Reisegefährtinnen waren sturer, als er angenommen hatte. Hatte er zunächst noch versucht, ihnen Verstand einzubläuen, dass sie nicht einfach blindlings auf irgendein Schiff steigen sollten, hatte er es nun aufgeben. Es war offensichtlich, dass er die Führungsposition innerhalb ihres Trios verloren hatte. Und das passte ihm überhaupt nicht.
Es hatte ihm gefallen, Crevi unter Kontrolle zu haben. Er hatte ihre Handlungen, jeden ihrer Schritte genauestens mitbestimmen wollen. Der Plan durfte schließlich nicht ins Wanken geraten! Und jetzt?
Yvena Catah funkte ihm ständig dazwischen.
Und nicht nur die Rebellin hatte ihn nachdenklich gestimmt. Alles war viel komplizierter, als er es erwartet hatte. Auch Crevis Vater hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Es gab ein Gegenmittel?
Davon wollte er sich erst einmal selbst überzeugen! Wo hlmöglich war das nur irgendein Vorwand, um Crevi auf die Suche nach etwas weitaus Wichtigerem zu schicken. Der alte Mann hatte es wahrlich geschafft. Selbst nach seinem Tod tanzte seine Tochter nach seiner Pfeife.
Im Stillen verfluchte er den Mann. Er musste geahnt haben, dass sie sich einmischen wollten. Immerhin stellte Joseph Sullivan selbst nun keine Gefahr mehr dar.
Dafür war gesorgt worden.
Aber er mochte Herausforderungen.
Er musste die ihm zugedachte Rolle erfolgreich ausfüllen .
Komme was wolle.
Man nannte ihn nicht umsonst den Meister.
Doch zuerst würde Vlain herausfinden, was es mit diesem Gegenmittel auf sich hatte, und seine Vorgesetzten möglichst bald davon in Kenntnis setzen.
» Zieh doch nicht ständig so ein Gesicht«, verlangte Yve, die es sich an Deck des Schiffes bequem gemacht hatte und in die Sonne blinzelte. »Da bekommt man fast selbst schlechte Laune!«
» Hm.« Vlain glaubte nicht, dass irgendetwas dieser Frau die gute Laune verderben konnte. Seit ihrem Aufbruch hatte sie kaum aufgehört davon zu erzählen, wie sich ihr Leben mit dem Gegenmittel verändern würde, wie viel besser die Welt wäre und vieles, vieles das er schon längst wieder vergessen hatte.
Zu seinem Leidwesen hatte sich Crevi von ihrem Enthusiasmus anstecken lassen.
»Schade eigentlich, dass wir nur so kurz zu Schiff unterwegs sind. Früher bin ich ständig gesegelt, ich liebe das!«
Das war schwer zu übersehen. Während ihm ein wenig übel war, bewegte Yve sich an Deck wie eine geschmeidige Katze. Sie war sogar schon einmal in den Mast geklettert und hatte danach schwärmerisch von der Aussicht erzählt.
»Wir kommen jede Minute an«, sagte Crevi, rückte ihren Rucksack zurecht und trat an die Reling. Die Pfiffige Joanna war eine der zahlreichen Handelskoggen, die zu einem Passagierschiff umfunktioniert worden war und regelmäßig die Meerenge zwischen Nord- und Süd-Elenyria durchquerte.
Yve streckte sich und überprüfte, ob sie alles bei sich trug.
Vlain verfolgte, wie sie zuerst nach ihrem Degen tastete, danach über ihren Dolch strich und zu guter Letzt den Stiefel bewegte, um sich der Gegenwart ihres Messers zu versichern. Er hatte sie schnell durchschaut.
Ihre Waffen erinnerten ihn daran, dass er und Crevi sich ebenfalls welche besorgen sollten. So etwas gab es in Skogak immer billig.
Vlain erhob sich und folgte den beiden Frauen zur Reling, von der sie den Hafen betrachteten.
Endlich waren sie zurück im Norden!
Es fühlte sich gut an, nach Hause zu kommen.
Das Schiff fuhr in den Hafen ein.
» Was ist das für ein Ort?«, fragte seine Schutzbefohlene.
Schutzbefohlene , Vlain kaute eine Weile auf dem Wort herum. Das gefiel ihm. Es passte und hob zudem seine edle Gesinnung hervor.
» Der Hafen von Skogak«, antwortete er Crevi.
Elenyrische Fachwerk- und Ziegelsteinhäuser sowie Hütten standen hier dicht an dicht mit kleinen bunten Reetdachhäuschen wie sie in den Landen Hizdahals üblich waren. Diese ähnelten eher großen Schuppen denn wirklichen Wohnmöglichkeiten, hatten lange Fenster mit weißen Fensterläden und wurden von innen mit schrillen Vorhängen und Gardinen geschmückt. Hinter den Hafengebäuden erhoben sich die spitzen Dächer der Kirchen und Zitadellen des Unbefleckten sowie freskenverzierte Kuppeln, unter denen Menschen aus Dromokò und anderswo zu ihren fremden Göttern beteten. Kleine Schifferboote, Kähne, Koggen und Galeeren dümpelten im vor Algen grünen Kaiwasser und weiße Seevögel flogen kreischend über die Dächer hinweg.
All das rückte
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