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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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zu werden.«
    Sie redete und nabelte dabei Valerie ab, wusch sie, wischte ihr die Augen aus und gab sie Therese. Therese sah ihr Kind an, dann sah sie auf Mutter und Sybille, auf ihren Vater, dem die Tränen übers Gesicht liefen. Da spürte Therese, daß auch sie weinte. »Aber schön ist sie«, sagte die Hebamme, als wolle sie doch noch Valeries Geburt entschuldigen. »Nur, was wird aus ihr? Was wird aus uns? Keiner weiß es. Gutes kann jedenfalls von denen nicht kommen.«
    In Therese war kein Platz für derlei Gedanken. In ihr war nur eine große Erleichterung, die ihr den Kopf ausleerte, ausspülte, nur Müdigkeit hinterließ. Therese wollte jetzt an Leon denken, an Valeries Vater. Sie konnte ihn sich kaum mehr vorstellen. Immer wieder sah sie Ivan und nicht Leon. Doch dann glitten Thereses Gedanken ab ins Dunkle, blieb ihr Blick am Fenster haften. Es war Abend. Der Garten hob sich ab wie ein feiner Scherenschnitt, und zum erstenmal sah Therese, daß hinter den Bäumen im Garten ein Haus hervorsah, ein großes altes Haus. Hatte sie es noch nie wahrgenommen? Jedenfalls nicht so wie heute. Es sah aus wie ein Adventskalender kurz vor Weihnachten, wenn fast schon alle Fenster geöffnet sind. Wie mochte das Haus in New York aussehen, in dem Leon jetzt mit Paula wohnte? Für einen Moment tat der Gedanke weh. Fast drei Jahre war Leon Thereses Mann gewesen. Jetzt war sie knapp sechsundzwanzig, wie damals Anni, als sie Girgl verlor. Therese hatte Leon immer gern geküßt. Sein Mund schien ihr wie dicke reife Himbeeren. Aber das Leben warkein Himbeeressen. Nicht für Juden. Therese war müde, leer. Ivan, Ivan. Warum war Therese nicht in New York bei Ivan? Und warum war Valerie nicht Ivans Kind?
    In diesem Moment legte sich eine Hand auf Thereses Arm. Es war Valerie Rheinfelder, Leons Mutter, die gerade gekommen war, ihr Enkelkind zu begrüßen. Therese wußte nicht recht, ob Leons Mutter sie mochte, und sie wußte ebensowenig, ob sie selber Leons Mutter leiden konnte. Aber den Namen Valerie hatte sie immer schon hübsch gefunden. Und so sagte sie jetzt, daß ihr Baby Valerie heißen solle. Valerie Martha Sybille Rheinfelder.
     
    »Ich weiß, daß Therese es nicht wollte«, hörte sie von weit her Leons Mutter sagen, »aber ich konnte es nicht über mich bringen. Ich habe Leon geschrieben, daß Therese ein Kind erwartet. Er hat telefoniert, er ist außer sich, er will zurückkommen. Er wird Paula nicht heiraten. Sie haben gemerkt, daß sie nicht zusammenpassen. Paula haßt New York. Sie will zurückkommen nach Ingolstadt, nach Deutschland.«
    Paula mit den glitzernden Augen. Ihr singen überall die Vögel der Freiheit, dachte Therese. Sie kann mit meinem Mann nach New York fahren, wenn sie das will. Und wenn sie Heimweh bekommt, kann sie ohne ihn wieder zurückkommen, nach Ingolstadt. Und Leon, wenn er zurückkäme? Diesen Gedanken brauchte Therese nicht zu Ende zu denken. Sie wußte, daß Leon niemals zurückkommen würde, auch wenn er es zehnmal telegrafierte. Nicht einmal wegen Valerie würde Leon zurückkommen. Im Grunde liebte er sich selbst viel zu sehr, um sich dieser Gefahr auszusetzen.
    Valerie. Warum konnte sie nicht entkommen? Wenigstens sie! Weil einer herummarschiert, der uns alle schreiend frißt. Wir gehören nicht mehr uns, und nichts mehrgehört uns. Wir sind nackt und haben einen Stempel wie die Schweine im Schlachthaus.
    Therese fühlte sich mit einemmal so müde, daß sie die anderen bat, sie mit Valerie allein zu lassen. Die Hebamme hatte das Kind gebadet und angekleidet. Es schlief neben Therese, die es jetzt behutsam in die Arme nahm. Plötzlich öffnete Valerie die Augen. Große blaue Babyaugen. Sie sah Therese an, mit einem Blick, der sie erschütterte. So allwissend schien er ihr und bereit zum Äußersten. Therese wurde getroffen von diesem Ernst im Blick des Kindes, er traf sie schmerzhaft und für immer.
    Der blaue Blick ihres Kindes. Er erschien Therese wie eine Frage, der sie nicht ausweichen konnte. Dieser tiefe, sie zur Wahrhaftigkeit zwingende Blick ließ ihr keine Ruhe. Wie hatte sie Valerie auf die Welt bringen können? In ein Leben, das niemals ihr selbst gehören wird, in dem sie niemals sie selbst sein kann. Schon jetzt ist sie ausgesondert, gefährdet, stigmatisiert. Dazu ohne Vater, den Therese hatte ziehen lassen. Therese fand sich jetzt maßlos egoistisch, kurzsichtig, schuldig. Therese mochte nicht allein die Nazis für ihre und Valeries elende Lage verantwortlich machen. Sie

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