Beseelt
los ist. Ich habe formell verkündet, dass Liam mein neuer Lehrling ist, ohne vorher mit seinen Eltern zu sprechen.“
Sie seufzte. Sie war ernsthaft genervt von sich. Es war schlimm genug, dass sie mit der Tradition gebrochen hatte, indem sie einen männlichen Lehrling angenommen hatte – einen mit Flügeln, der definitiv kein Zentaur war, noch dazu hatte sie das vorgesehene Protokoll ignoriert. Bei einem Kind in Liams Alter mussten seine Eltern aufgesucht und um ihre Erlaubnis gebeten werden. Sie war auch jung, als sie die Ausbildung zur Jägerin begann, und ihre Mutter stimmte nicht zu. Das hatte sie allerdings nicht im Geringsten aufgehalten.
„Beruhige dich. Liams Eltern sind tot. Wenn Lochlan hier wäre, könntest du ihn um Erlaubnis fragen, die er dir sicher geben würde.“ Ciara zuckte mit den schmalen Schultern, und ihre Flügel raschelten. „In seiner Abwesenheit bin ich die Anführerin, und ich stimme nur zu gerne zu, dass er dein Lehrling wird.“
„Ich hätte trotzdem daran denken sollen. Ich weiß nicht, wieso …“
„Sei nicht so hart mit dir. Du hast den Jungen unter ungewöhnlichen Umständen angenommen – du sahst dich den Kriegern gegenüber, die versucht haben, ihn zu töten. Ich denke, sogar das Protokoll einer Jägerin kann in so einem Fall etwas gelockert werden. Komm“, sagte sie, „iss, und ruh dich aus. Heute Nacht kannst du gut schlafen, weil du weißt, dass eine ganze Armee über uns wacht.“
Brighid schnaubte und murmelte: „Du meinst die gleiche Armee, die auf meinen Lehrling geschossen hat?“
„Das ist Vergangenheit.“ Ciara deutete auf das Lager, wo Krieger und die geflügelten Kinder wild durcheinandersaßen. „Bevor sie uns kannten. Du kannst dich heute Nacht entspannen, Jägerin. Das einzige Böse, was ich in diesen Wänden spüre, kommt von einer der Unseren, und sie ist in den Gewölben der Burg sicher weggesperrt.“
Ciara ging weiter aufs Feuer zu, und Brighid folgte ihr schweigend zu einem freien Platz, der groß genug war, dass eine Zentaurin sich niederlassen konnte. Sie stieß einen Seufzer aus, der schon fast ein Stöhnen war, beugte die Knie und ließ sich auf das dicke Fell sinken, das jemand für sie vorbereitet hatte. Dankbar nahm sie eine Schüssel Eintopf und ein Stück frisches Brot entgegen. Es war ein einfaches Gericht, aber geschmackvoll und sättigend. Exzellente Verpflegung für Krieger, dachte sie, für Krieger und hungrige, im Wachstum befindliche Kinder. Während sie aß, beobachtete sie die Schatten, die das Feuer auf die Gesichter der Kinder warf. Sie hatte noch nie eine Gruppe von Leuten gefunden, die so voller Freude war – vor allem welche, die so viel durchgemacht hatten wie die Neuen Fomorianer.
Und die Krieger der Wachtburg! Diese seriösen, gut ausgebildeten Soldaten, Männer und Frauen, die dafür lebten, Partholon zu beschützen, beantworteten lächelnd den nicht enden wollenden Fluss kindlicher Fragen.
Zumindest an diesem Abend lag ein Hauch von Hoffnung über dem Lagerfeuer. Vielleicht war genügend Zeit vergangen, sodass die Wunden des Krieges hatten heilen können. Vielleicht würde Partholon diese enterbten Kinder seiner lange verstorbenen Einwohnerinnen akzeptieren.
Kynas vertrautes Lachen erregte ihre Aufmerksamkeit. Fand lag neben ihr und leckte dem kleinen Mädchen die Finger und das Gesicht, woraufhin Kyna in wildes Gekicher ausbrach. Brighid musste lächeln, als sie das sah. Was für eine seltsame Mischung – ein Wolfsjunges, das den Tod seiner Mutter niemals hätte überleben sollen, und geflügelte Kinder, deren Geburt ihre Mütter hätte umbringen sollen. Dazu eine Zentaurin, die vor ihrer Mutter geflohen war …
Nein – Brighid verschloss ihr Gehirn vor den negativen Gedanken. Sie war nicht davongelaufen. Sie war weggegangen und hatte ein neues Volk gefunden. Sie gehörte zum MacCallan-Clan. So fest sogar, dass die Clanführerin sie losgeschickt hatte, um ihren geliebten Bruder nach Hause zu bringen. Sie würde den Auftrag ihrer Stammesführerin ausführen – und sie würde einen Weg finden, Cuchulainns störrische Seele in diese Welt zurückzuholen. Sie hatte schon Fortschritte gemacht und musste im Kopf behalten, dass der Verlust von Brenna ihn am Boden zerstört hatte.
Wo war der verdammte Kerl überhaupt?
Brighid ließ ihren Blick über die Menschen gleiten, die bei den Lagerfeuern saßen. Ihr Magen zog sich vor Sorge zusammen. Was, wenn er entschieden hatte, nicht auf die Geburt von Fallons Baby
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