Beseelt
arbeiten.“
„Du hast so lange Zeit, bis wir die MacCallan-Burg erreicht haben. Dort werde ich die Reise in die Anderswelt antreten – möge die Göttin uns beistehen.“
„Also nur noch wenige Tage.“ Er strich ein letztes Mal über das Knotenmuster. „Ich bin bereit, zurückzukehren.“
Meinte er zur MacCallan-Burg oder ins Leben? Als er innehielt und zum Abschied einen Blick auf die Gräber warf, schwieg Brighid respektvoll. Das hier war etwas, das Cuchulainn alleine mit sich ausmachen musste. Sie konnte ihm helfen, den abgesplitterten Teil seiner Seele zu erneuern, aber der Rest lag in seiner Hand.
„Blaue Wildblumen.“
Überrascht von der Fröhlichkeit in seiner Stimme, schaute Brighid ihn an. „Was ist an blauen Wildblumen so lustig?“
Seine Augen füllten sich mit ungeweinten Tränen, trotzdem lächelte er. „Brenna liebte blaue Wildblumen. Sie sagte, sie erinnern sie an meine Augen. Schon lange bevor wir uns trafen, hatte sie angefangen, Dinge zu sammeln, die genau die Farbe meiner Augen hatten.“
„Wirklich?“
„Sie bewahrte sie auf ihrem Epona geweihten Altar auf. Es gab eine Feder von einem Hüttensänger und einen türkisblauen Stein von derselben Farbe, sie besaß sogar eine Perle, die …“
„Was ist mit dem Stein passiert?“, unterbrach sie Cu.
Ein türkisblauer Stein von derselben Farbe
. Brighid spürte, wie der Stein, den sie in ihrer Westentasche trug, gegen ihre Brust drückte.
„Ich habe ihn und alles andere von ihrem Altar mit in ihr Grab gelegt.“
Langsam griff Brighid in die Tasche ihrer Weste und zog den Stein heraus. Sie legte ihn auf ihre flache Hand und hielt ihn Cuchulainn hin. Sobald er ihn sah, wurde er blass. Mit zitternden Fingern nahm er ihn auf und drehte ihn hin und her, wobei er ihn eindringlich musterte.
„Woher hast du den?“ Seine Stimme war rau vor Emotionen.
Schicksalsergeben sprach Brighid das laut aus, was sie bisher nicht einmal vor sich selbst zugeben mochte: „Ein silberner Falke, der, wie ich vermute, mein Seelenführer ist, hat ihn auf mich fallen lassen. Ich … ich denke, dass es mein Seelenfängerstein ist“, fügte sie eilig hinzu.
„Er kam aus dem Seelenreich?“, fragte Cu mit zittriger Stimme.
„Ist es derselbe Stein, den du Brenna mit ins Grab gelegt hast?“
„Ja, da bin ich mir ziemlich sicher“, flüsterte er, den Blick unverwandt auf den Stein gerichtet.
„Dann kam er definitiv aus dem Seelenreich.“
„Glaubst du, das bedeutet, Brenna ist irgendwo und beobachtet uns?“
„Das weiß ich nicht, Cu. Aber ich glaube, es bedeutet, dass deine Seele heilen soll und dass ich dazu bestimmt bin, ihr dabei zu helfen.“
Cuchulainn gab ihr den Stein zurück, und Brighid steckte ihn wieder in die Westentasche.
„Wir sind ein sehr verwirrtes Paar, Jägerin“, sagte er.
„Das sind wir wahrlich, mein Freund.“
Seine Antwort lag irgendwo zwischen einem Lachen und einem Schluchzen. Brighid wechselte schnell das Thema. „Ciara glaubt nicht, dass wir heute Nacht über das Lager wachen müssen. Sie sagt, das einzig Böse, das sie spürt, kommt von Fallon. Sie vertraut den Kriegern.“
„Wir werden sagen, dass wir uns einfach nur um das Lagerfeuer kümmern wollen. Wir werden zwar von den Burgmauern beschützt, befinden uns aber dennoch in einem kühleren Bereich des Landes. Ich würde gerne die zweite Schicht machen“, sagte Cuchulainn.
Brighid bedachte ihn mit einem verständnisvollen Blick. „Dann übernehme ich die erste Wache. So läuft unser Lagerfeuer nicht Gefahr, auszugehen.“
„Einverstanden.“
Als sie gemeinsam in den Innenhof zurückkehrten, spürte Brighid die Wärme des türkisblauen Steins an ihrem Herzen. Es war ein überraschend tröstliches Gefühl.
24. KAPITEL
B righid wollte nicht träumen. Nicht in der Wachtburg, dem Ort, an dem sich zu viele hässliche Geschichten abgespielt hatten. Als sie es sich auf den Fellen gemütlich machte, die warm von Cuchulainns Körper waren – und noch nach ihm rochen –, legte sie ihre Gedanken an die kurze Leine.
Nicht heute Nacht, befahl sie sich. Sie nahm drei reinigende Atemzüge und konzentrierte sich.
Nicht heute Nacht!
In diesen Wunsch packte sie alles an schamanischem Instinkt, was ihr Blut hergab, und schickte ihn in die Anderswelt – und dort direkt zu Cuchulainns zersplitterter Seele. Morgen, unter dem freien Himmel Partholons, wäre sie besser gerüstet, sich mit dem fehlenden, charismatischen Teil seiner Persönlichkeit auseinanderzusetzen.
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