Beseelt
diese Andersartigkeit, die Elphame von allen anderen unterschied. Sie trug Kräfte in sich, die ihr von Epona verliehen worden waren. Wegen einer Verbundenheit mit der Magie der Erde konnte sie mit der Natur kommunizieren. Elphame hörte die Geister der Steine der MacCallan-Burg. Sie hatte außerdem eine besondere Beziehung zu Epona. Brighid spürte oft die schützende Anwesenheit der Göttin Partholons, wenn Elphame das Morgengebet sprach oder Epona am Ende eines produktiven Tages dankte. Und natürlich hatten alle gesehen, wie sehr sie Epona am Herzen lag, als Elphame die Stärke und Liebe ihrer Göttin anrief, um den Wahnsinn der Fomorianer zu bezwingen.
Die Jägerin erschauerte. Sie wollte sich nicht an diesen entsetzlichen Tag erinnern. Es reichte zu wissen, dass ihre Clanführerin eine mysteriöse Mischung aus Zentaur und Mensch, Göttin und Sterblicher war.
„War die morgendliche Jagd erfolgreich?“, fragte Elphame, ohne sich zu ihr umzudrehen.
„Ja, sehr.“ Brighid war nicht überrascht, dass ihre Stammesführerin ihre Anwesenheit spürte. Elphames übernatürliche Kräfte waren scharf und präzise. „Die Wälder, die die Burg MacCallan umgeben, sind seit über einhundert Jahren nicht mehr ordentlich bejagt worden. Das Wild springt mir förmlich vor meine Pfeile und bettelt darum, erlegt zu werden.“
Um Elphames Lippen zuckte ein kleines Lächeln. „Wildbret mit Todessehnsucht? Das klingt nach einem wahrhaft einzigartigen Mahl.“
Brighid schnaubte. „Erzähl es nur nicht Wynne. Die Köchin wird sonst verlangen, dass ich bei der Auswahl des Wilds sorgfältiger auf dessen Laune achte, damit ihr Eintopf den richtigen Geschmack bekommt.“
Die MacCallan löste den Blick von den Bergen in der Ferne und lächelte. „Bei mir ist dein Geheimnis sicher.“
Als Brighid ihrer Freundin in die Augen schaute, erschrak sie über die Traurigkeit, die sich darin abzeichnete. Nur Elphames Lippen lächelten. Niemals würde die MacCallan diesen gequälten Gesichtsausdruck der Öffentlichkeit zeigen – es war ein seltenes Privileg, eine so persönliche Seite zu sehen zu bekommen. Brighid befürchtete im ersten Moment, dass der fomorianische Wahnsinn, der tief im Blut ihrer Freundin lauerte, erwacht war, verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder. In Elphames Blick hatte sie weder Hass noch Wut gesehen – nur tiefe Traurigkeit, von der sie ahnte, woher sie stammte. Ihre Freundin war glücklich mit Lochlan verbunden. Der Wiederaufbau der Burg MacCallan ging gut voran. Die Mitglieder des Clans waren gesund und gediehen prächtig. Ihre Führerin könnte zufrieden sein. Brighid wusste, dass Elphame das auch war – bis auf ein entscheidendes Detail.
„Du sorgst dich um ihn.“ Sie studierte Elphames starkes Profil, während deren Blick wieder zum Horizont glitt.
„Natürlich sorge ich mich um ihn!“ Sie presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme traurig und resigniert: „Es tut mir leid. Ich wollte es nicht an dir auslassen, aber seit Brennas Tod kreisen meine Gedanken ständig um ihn. Er hat sie so sehr geliebt.“
„Wir alle haben die kleine Heilerin geliebt.“
Elphame seufzte. „Ja, weil sie etwas ganz Besonderes war. Ihr Herz war unglaublich groß.“
„Du machst dir Sorgen, dass Cuchulainn sich von seinem Verlust nicht erholen wird.“
Elphame starrte auf die Berge. „Es wäre nicht so schlimm, wenn er hier wäre – wenn ich mit ihm sprechen könnte und wüsste, wie es ihm geht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich durfte ihn allerdings nicht aufhalten. Er sagte, in der Burg erinnere ihn alles an Brenna, und hier könne er niemals lernen, ohne sie zu leben. Als er ging, war er nur ein Schatten seiner selbst. Nein …“ Sie überdachte den Vergleich. „Nicht ein Schatten seiner selbst. Mehr ein Schatten dessen, was er einst gewesen war …“
Elphames Stimme erstarb. Brighid blieb an ihrer Seite, während die Clanführerin stumm gegen die Sorge um ihren Bruder ankämpfte. Ihre eigenen Gedanken wandten sich der Erinnerung an die kleine Heilerin zu. Genau wie sie war Brenna auf der Suche nach einem Neuanfang und einem besseren Leben auf die MacCallan-Burg gekommen, doch die von Narben entstellte Heilerin bekam mehr. In den Armen des Kriegers Cuchulainn, dem Bruder der Clanführerin, fand sie die Liebe. Er schaute nicht auf ihr von fürchterlichen Brandnarben gezeichnetes Äußeres, sondern sah die Schönheit ihres Herzens. Brighid erinnerte sich
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