Besessen
ein Tor – dem Himmel sei Dank für kleine Wunder –, und es war unverschlossen, sodass sie das Grundstück verlassen konnten, bevor der Wachschutz die Bullen holte.
„Was für eine Platzverschwendung, solch riesige Häuser zu bauen“, sagte Bella, und der flirtende Tonfall war gänzlichaus ihrer Stimme verschwunden.
Max dachte an sein eigenes Haus und räusperte sich. „Nun, vielleicht haben die Eigentümer die Häuser geerbt.“
„Dann haben eben ihre Vorfahren Platz verschwendet, als sie diese Häuser gebaut haben.“ Offensichtlich gab es für sie bei diesem Thema nichts zu diskutieren.
Die beiden kreuzten die angrenzende Rasenfläche, dann lenkte sie ihn wieder zur Straße. Er stöhnte auf. „Dafür hätte wir auch einfach auf dem Gehweg um die Ecke biegen können.“
„Die Spur ist frisch. Geh über die Straße!“ Bella setzte sich aufrecht wie eine Jägerin, die sich bei der Fuchsjagd im Sattel aufrichtete.
„Du machst es mir nicht leichter, wenn du dich so abrupt bewegst.“ Eilig rannte er über die Straße und war froh, dass in dieser Gegend der Stadt nach neun Uhr abends kein nennenswerter Verkehr mehr herrschte.
Dann überquerten sie eine weitere Rasenfläche, als Max Nathan erblickte, der nackt und blutend durch eine Hecke rannte.
„Verdammte Scheiße!“ Er setzte Bella ab, obwohl sie sich wie eine Klette an ihm festklammerte.
„Du kannst mich nicht zurücklassen!“, zischte sie. „Ich dachte, du brauchst meine Hilfe.“
„Ich muss vor allem Gewicht loswerden, damit ich hinter ihm herkomme!“ Max rannte auf die Hecken zu und stolperte im Gras.
„Du verlierst seine Fährte!“ Bella lief neben ihm her, ihr Gesicht war schmerzverzerrt.
„Und du ruinierst dir dein Bein“, warnte Max sie. Lass sie doch. Wenn es schiefgeht, hat sie es sich selbst zuzuschreiben.
Bella keuchte neben ihm, doch sie wurde nicht langsamer,trotz der Schmerzen in ihrem Bein. Max bewunderte ihr Durchhaltevermögen, als sie über eine hohe Ziegelmauer kletterten und in einem weitläufigen Garten landeten.
„Das kann doch wirklich nicht wahr sein“, stöhnte Max auf, als Nathan hinter der Ecke eines kleinen Schuppens verschwand.
„Warte. Er war schon einmal hier. Ich kann ihn riechen.“ Bellas Nasenflügel weiteten sich, und sie presste eine Hand auf ihren Mund. „Und hier riecht es nach Tod.“
Um Deckung bemüht, krochen sie zu dem großen Haus, einem efeuüberwucherten Monster mit Zierputz und spanischen Kacheln. Nirgends brannte Licht, nur im Erdgeschoss stand in einem Fenster eine angezündete Kerze. Max gab Bella ein Zeichen, sie solle ihm zur Hintertür folgen.
Die eindrucksvolle Eichentür war unverschlossen. Sie führte in einen kleinen, nur in den wärmeren Jahreszeiten zu nutzenden Raum, dessen Boden mit einem Mosaik aus Kacheln belegt war. Überall standen Pflanzen wie in einem Wintergarten. Im Dunkeln stolperte Max über etwas und stieß einen leisen Fluch aus.
„Was ist das?“ Bella hielt ihre Nase mit einem Ärmel bedeckt.
Max trat mit dem Fuß gegen den unförmigen Haufen, und ein widerwärtiger, dumpfer Laut war zu hören. „Ich würde sagen, die ehemaligen Besitzer des Hauses.“
„Wie viele?“ Sie ging neben ihm in die Hocke und hob stirnrunzelnd den Arm eines Toten. Er löste sich von dem Haufen, sie schnappte nach Luft und ließ den abgetrennten Arm fallen.
Max überschaute hastig die ineinander verschlungenen Leiber. „Zwei Köpfe.“
„Das ist nicht möglich. Hier befinden sich mehr als zweiLeichen. Es müssen mehr sein.“ Ihre Pupillen vergrößerten sich, und ihr Atem ging schneller. „Wir sind hier nicht sicher. Los, gehen wir.“
Max schob mit dem Schuh einen weiteren feuchten Haufen aus dem Weg, über dessen eigentliche Gestalt er lieber nicht nachdenken wollte. „Warum zum Teufel sagst du so was?“
„Wir haben keine Zeit für Witze! Hier liegt so viel Tod in der Luft, dass ich kaum atmen kann.“ Ihr Körper wurde steif, ihre Nasenflügel blähten sich auf. „Es kommt jemand. Lauf! Los!“
Kaum war sie zu Ende, da hörte er es. Das Trampeln einer ganzen Horde von Stiefelpaaren kam näher. Max schob Bella vor sich durch die Tür, aber mit ihrem verletzten Bein war sie zu langsam. Er nahm sie in die Arme, rannte mit ihr über den Rasen und half ihr die Mauer hoch. Dann sprang er selbst ihr hinterher und landete mit einem dumpfen Aufschlag im Gras.
„Wer kann das getan haben? Und wer kann sich so einen Wachschutz leisten?“, flüsterte sie, als
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