Besessen
„Wenn du schläfst, werfe ich dich hinaus in den heißen Sand, und dann schaue ich zu, wie du verbrennst. Genauso, wie du zugeschaut hast, als ich verbrannt bin.“
Ich wollte den Kloß hinunterschlucken, der sich in meiner trockenen Kehle gebildet hatte, aber er würde es als Zeichen meiner Schwäche sehen. Deshalb sprach ich mit einer Stimme, die heiser war wie die einer Kettenraucherin: „Und wie genau habe ich zugeschaut, als du verbrannt bist?“
„Ohne Reue.“ Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. „Es hat dir Spaß gemacht.“
Immer noch tief verletzt, wandte er sich von mir ab, ging zur Kommode und zog einige Kleidungsstücke heraus. Waser tat, schockierte mich. Ich hatte mich so an seinen Körper gewöhnt, dass mir seine Nacktheit bis jetzt noch gar nicht aufgefallen war.
Ich wartete mit meiner Antwort, bis er eine Hose übergestreift hatte. „In meiner Erinnerung war das ziemlich anders.“
Er holte Luft. „Deine Erinnerungen interessieren mich einen Scheiß. Bitte schreib doch alles auf, damit ich es nachlesen kann, falls ich es doch irgendwann einmal wissen will.“
„Auch wenn du es nicht wissen willst, du kannst mir nicht vorwerfen, dass ich gefühllos gehandelt habe.“ Vollkommen unerwartet traten mir Tränen in die Augen, und ich blinzelte sie weg. Gleich würde ich ihm endlich sagen können, was ich ihm schon so oft hatte sagen wollen, und allein der Gedanke, dass es jetzt möglich war, gab dem Moment eine ungeheure Bedeutung. Mir blieben die Worte im Hals stecken, und mir fiel nicht mehr ein, was ich sagen sollte. „Ich wollte dich so oft retten.“
Sein Rücken wurde steif, und obwohl ich sein Gesicht nicht sehen konnte, bemerkte ich, dass er sein Kinn anspannte. „Ach.“
„Ich wollte, dass du gut bist. Ich dachte, wenn ich nur etwas von dem Guten in dir sehen kann …“ Immer noch enttäuscht schüttelte ich den Kopf. „Aber ich hab nie etwas gesehen. Du hast mir nie auch nur eine Spur davon offenbart. Ich hätte dich lieben können, wenn du mir nur ein bisschen von dir gezeigt hättest.“
Cyrus schaute hoch zur Decke, und sein Kopf hing müde im Nacken, als ob er sich geschlagen gab. Dann wirbelte er mit erschreckender Geschwindigkeit zu mir herum, überraschte mich und drückte mich gegen die Wand.
Mit einem schmerzhaften Griff hatte er mich an den Schultern gepackt, aber ich wehrte mich nicht. Ganz nah beugte er sich zu meinem Gesicht, so nah, dass ich Schwierigkeiten hatte, mich auf seine wütenden Augen zu konzentrieren. „Ich hätte dir das Gute in mir zeigen sollen? Ich hätte mich dir offenbaren sollen, damit du mich liebst?“
Erschrocken rang ich um Luft, als er mich noch härter gegen die Wand presste. Er deutete auf die Leiche auf dem Bett und stach dabei mit dem Zeigefinger so gewaltig in die Luft, als wolle er eine unsichtbare Person verletzen. „Sie hat mich geliebt. Sie hat mich einfach so geliebt! Vielleicht lag das Problem zwischen uns gar nicht bei mir.“
„Sie wurde in einem Keller mit dir zusammen gefangen gehalten! Du warst das einzige menschliche Wesen in ihrer Nähe!“ Die Worte waren grausam, aber ich konnte nicht aufhören. „Natürlich hat sie dich geliebt. Du hast sie vor ihnen beschützt!“
Er knallte mir eine, aber er schlug nicht richtig zu, und ich spürte die Ohrfeige kaum. „Sag das nicht zu mir! Meinst du, das hab ich mir nicht schon selbst überlegt? Aber sie hat mich geliebt. Sie hat mich geliebt, und ich …“
Sein Gesicht fiel zusammen, und Tränen schossen unter seinen Lidern hervor. „Sie hat mich geliebt“, sagte er noch einmal, packte mich an den Schultern und stieß mich wieder und wieder an die Wand.
Ich hätte sauer werden können. Ich hätte ihn bewusstlos schlagen und ihn in den Laster schleppen können. Es war immer noch möglich, dass die Fangs zurückkehrten, aber wahrscheinlicher war es, dass ein nächtlicher Spaziergänger vorbeikam und bemerkte, dass die angeblich abgebrannte Kirche wieder aus den Trümmern auferstanden war.
Trotzdem legte ich die Arme um ihn, zog seinen Körperzu mir und flüsterte Entschuldigungen, tröstete ihn und sagte ihm, wie aufrichtig leid mir alles tat. Ich konnte das Mädchen auf dem Bett nicht ansehen. Sie hatte es geschafft, Cyrus’ kalten Panzer zu durchbrechen. Allein dafür hatte sie etwas Besseres verdient als diesen Tod.
Die Fangs hatten ihn aus dem Leben nach dem Tod zurückgeholt, aber Mouse hatte einen Menschen aus ihm gemacht. Dafür brauchte es
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