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Besessen

Besessen

Titel: Besessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Armintrout
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während er den Körperdes toten Mädchens in seinen Armen hielt. „Es tut mir so leid.“
    Ich konnte seinen Schmerz nicht mehr ertragen, meine eigene Schuld am Tod dieses unschuldigen Mädchens lag mir auf der Seele, und ich schloss die Augen. Mein Fehler war durch nichts wiedergutzumachen, ich konnte Cyrus nicht trösten oder die Situation irgendwie erträglicher machen. Das Leben dieses Mädchens war für immer ausgelöscht, und ich war schuld daran. Ihr Tod würde wie ein Damoklesschwert für den Rest meines Lebens über mir hängen.
    Als Ziggy umgekommen war, hatte ich mir Vorwürfe gemacht, weil ich ihn nicht hatte beschützen können. Doch den größten Teil der Schuld konnte ich Cyrus zuschieben, der ihn umgebracht hatte. Sogar Nathan war in meinen Augen mitverantwortlich an Ziggys Tod. Nathan war völlig ausgeflippt, als er seinen Sohn in einer verfänglichen Situation überraschte, und hatte ihn dadurch verjagt. Aber jetzt musste ich mich meiner alleinigen Schuld stellen, da gab es nichts wegzudiskutieren. Ich hatte Scheiße gebaut, und jetzt war dieses Mädchen tot.
    Kein Wunder, dass manche Vampire kein Vergnügen am Töten empfinden konnten. Wie auch, wenn dieses Gefühl der Schuld sie danach immer begleitete? Zum ersten Mal bekam ich eine Ahnung von Nathans Selbstvorwürfen und seinen Gewissensqualen. Die Gedanken voller Selbstanklage, die ich mir wegen dieses toten Mädchens machte, glichen der schmerzhaften Gefühlsverwirrung, die Nathan gerade durchlebte.
    Etwas bewegte sich in meinem Kopf, als ob eines der durcheinander geratenen Puzzleteile unerklärlicherweise an die richtige Stelle gefallen wäre. Aber mir blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Als ich hochblickte, hatte mich Cyrus’kalter blauer Blick schon erfasst. Er starrte mich an, als ob er mich töten wollte.
    „Du warst das“, flüsterte er. „Du hast sie umgebracht.“
    „Ich habe es nicht gewusst.“ Langsam erhob ich mich, obwohl die Bewegung ihm verriet, dass ich Angst vor ihm hatte. Doch wovor sollte ich eigentlich Angst haben? Er war ein Mensch, ich ein Vampir. Ich war stärker, und meine Reflexe waren seinen weit überlegen.
    Aber er hatte jetzt nichts mehr zu verlieren.
    „Ich wollte es dir sagen.“ Er sprach mit der ruhigen Gelassenheit, die ich noch so gut aus den Tagen meiner freiwilligen Gefangenschaft kannte. Eine Gelassenheit, die ohne Vorwarnung in rasende Wut umschlagen konnte. „Du hast es mich nicht erklären lassen. Und jetzt ist sie tot.“
    „Du wirst auch sterben, wenn wir hier nicht verschwinden.“ Es war eine leere Drohung, die Fangs hatten die Kirche verlassen.
    Mit einem Ausdruck eiserner Entschlossenheit im Gesicht schüttelte er den Kopf. „Ich bleibe bei ihr.“
    „Du kannst hier nichts mehr für sie tun.“ Ich hatte starke Zweifel, ob wir noch irgendetwas für sie hätten tun können, selbst wenn wir direkt nach dem Angriff zurückgekommen wären.
    „Ich habe sie alleingelassen.“ So liebevoll wie eine Mutter den Kopf ihres Kindes küssen würde, so küsste er ihre bleiche Stirn. „Ich werde sie nicht ein zweites Mal zurücklassen.“
    „Du hast sie nicht alleingelassen. Du wurdest entführt“, erinnerte ich ihn. Kein besonders kluger Schachzug, denn offensichtlich gab er gerade nicht mehr mir die Schuld, und meine Chancen standen gut, dass ich nicht im Schlaf gepfählt wurde. „Bitte, Cyrus. Lass mich dich hier herausbringen, bevordein Vater dich findet.“
    Meine Worte legten sich wie ein Schleier über ihn, der den seltsam menschlichen Cyrus vor mir verdeckte. In seinem Gesicht erschien der kalte Ausdruck des Cyrus, den ich kannte. So vertraut, aber keineswegs beruhigend.
    „Mein Vater.“ Angeekelt biss er auf den Worten herum, als wären sie etwas, das er ausspucken wollte. „Nein, ich denke, ich würde meinen Vater gerne sehen.“
    Den kalten Schauer, der mir über den Rücken lief, unterdrückte ich. „Das kann ich nicht zulassen. Du weißt, dass das nicht geht.“
    „Warum nicht?“ Er legte die Tote auf das Bett und stand auf. „Denkst du vielleicht, du kannst mich daran hindern.“
    Mit der geschmeidigen Eleganz eines Raubtiers kam er auf mich zu. Ich erinnerte mich an diese scheinbar trägen Bewegungen, bei denen ich früher abwechselnd vor Leidenschaft und Todesangst weiche Knie bekommen hatte. Selbst ohne sein Vampir-Charisma schien er mir gefährlich.
    „Du musst schlafen.“ Die beiläufige, harmlose Art, mit der er das sagte, machten seine Worte noch bedrohlicher.

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