Besessen
Freund gesagt hast. Über mich.“
Ich hatte es schon geahnt, aber darüber sprechen wollte ich nicht mit ihm. „Das war nicht für deine Ohren bestimmt und …“
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass ich wegen dir wieder zum Monster werde. Du hast mich auch nicht zum Monster gemacht, als du bei mir gewohnt hast. Mein Verhalten war allein meine Entscheidung. Ja sicher, du hast mich manchmal verletzt. Am schlimmsten, als du mir das Messer durch das Herz gestoßen und mich in dieses bizarre Fegefeuer geschickt hast. Aber deine Zurückweisung war nicht so furchtbar, dass du meine Menschlichkeit damit hättest zerstören können. Als wir uns getroffen haben, war es dafür schon zu spät.“
Unerwartet kamen mir wieder Tränen. Ich wischte sie mit dem Handrücken weg. „Ich hatte auch nie gedacht, dass ich allein … ach, ich weiß nicht, was ich dachte.“
Nathan schrie, der klagende Laut gellte durch den Flur, und ich konnte mich nicht mehr zusammenreißen. Ein lauter,halb unterdrückter Schluchzer kam aus meiner Kehle.
Cyrus kam näher, aber er nahm mich nicht in die Arme, sondern wartete darauf, dass ich den ersten Schritt machte. Ich ließ mich von ihm umarmen und zum ersten Mal zweifelte ich nicht an seinen Motiven oder an seinem Mitgefühl. Weil er ein Mensch war, erkannte er meinen Schmerz und wollte mir helfen.
Seine Arme legten sich fest um meinen Rücken, er hatte sein warmes Gesicht in meiner Schulter vergraben. Wäre er jemals, in den Zeiten, als er noch mein Schöpfer war, so ehrlich gewesen, dann hätte ich mich in ihn verlieben können.
Dann ließ er mich los und strich ein paar Haare aus meinem Gesicht. „Darf ich dir eine Frage stellen?“
Ich nickte und kam mir wegen meines Zusammenbruchs ein bisschen töricht vor. „Solange es nicht ‚Willst du mich heiraten?‘ ist.“
Wir lachten wie alte Freunde, die sich nach einer langen Zeit der Trennung wiedergefunden haben. Kein ungezwungenes Lachen, aber es klang, als ob wir zumindest auf dem besten Weg zu einer früheren Vertrautheit waren.
Sein Gesicht wurde ernst. „Lass mich meinen Vater töten.“
Der sorgenlose Moment zerplatzte wie eine Seifenblase. „Auf gar keinen Fall!“
„Warum nicht? Hast du Angst, dass ich mich auf die dunkle Seite schlage?“, spottete er. „Du wirst nie glauben, dass ich mich wirklich verändert habe.“
Ich schluckte die Tränen, die sich in meiner Kehle aufstauten. „Ich glaube dir, dass du dich geändert hast. Das tu ich wirklich. Aber ein solches Risiko kann ich nicht eingehen.“
Wieder schrie Nathan auf, dumpfe Schläge hallten durch den Gang, als das Kopfbrett gegen die Wand stieß. Ich beachtetenicht, wie nahe mir die Schreie gingen, sondern konzentrierte mich auf Cyrus.
„Das Risiko, dass ich zu meinem Vater zurückkehre? Dass ich wieder zu dem Monster werde, das du gekannt hast?“ Er schüttelte den Kopf. „Das wird nicht passieren.“
Ich antwortete nicht, sondern versuchte Nathans panisches Flehen zu ignorieren, das aus dem Schlafzimmer drang.
„Stimmt. Ich bin ja nur ein schwacher Mensch, der dem Souleater sofort zu Füßen liegen wird, wenn der ihm dafür Macht und Reichtum verspricht.“ Wütend drehte er sich um und schritt den Flur hinunter in mein Zimmer. Ich folgte ihm.
Er ging so aufgeregt in dem kleinen Zimmer auf und ab, dass ich befürchtete, er könnte ausflippen, gewalttätig werden oder etwas zerschlagen. Doch er schnappte sich nur das gerahmte Bild von Ziggy von meinem Schreibtisch und hielt es mir entgegen. Die Gewissensbisse standen ihm ins Gesicht geschrieben. „Ich habe diesen Jungen getötet. Ich habe ihn getötet, weil er mir gesagt hat, ich soll es tun.“
Ziggys Gesicht auf dem Foto lächelte mich an. Licht spiegelte sich auf dem Glas, und ich konnte nur seinen Mund und die Augen erkennen, die blasse Erscheinung eines anklagenden Geistes. Das Atmen fiel mir plötzlich schwer.
„Mein Vater hat mich gelehrt, dass man zum Spaß und zum eigenen Vergnügen tötet. Er hat mich gebeten, furchtbare Dinge für ihn zu tun, und ich habe ihm gehorcht. Und wie hat er mich dafür belohnt? Er hat mir alle genommen, die ich liebte, solange, bis ich nicht mehr zur Liebe fähig war. Ich habe nichts mehr gespürt außer diesem brennenden, selbstsüchtigen Verlangen. Ich wollte sie besitzen, sonst nichts.“ Er klang, als ob er jeden Moment zusammenbrechen und losheulenwürde. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit ihm in einem solchen Zustand umgehen sollte.
Auf der
Weitere Kostenlose Bücher