Besessen
Schmerz explodierte in ihrem Kopf, als sie auf dem Boden aufschlug. Die tastenden Hände hatte sie fallen lassen.
Sie waren allein mit demjenigen, den sie unter dem Namen Simon kannte. Nolen betete, er rief Maria und den Erzengel um Hilfe an gegen den Dämon, der ihn in den Armen hielt. Simons Hände streichelten ihren Gatten, als wäre er sein Liebhaber. Gib dich ihm hin, drängte sie Nolen wortlos. Dann ist es bald vorbei. Du wirst ihn langweilen und er tötet dich.
Aber Simon hatte nicht vor, Nolen mit Gewalt zu nehmen. Er wollte ihm etwas viel Niederträchtigeres zufügen. Mit sanften, zärtlichen Berührungen wollte er ihn verführen, damit er aus erzwungener Lust in den Liebesakt einwilligte, und Nolens eigener Körper ihn verriet, weil er Vergnügen empfand bei dieser unverzeihlichen Sünde.
Das ist meine Schuld. Trauer ergriff sie, und sie bereute ihre Bitterkeit. Es war ein prächtiger Moment, um ihre Liebe wiederzufinden, eine Weltreise entfernt von ihrer Heimat, kurz vor ihrem Tod.
Simon ließ sich Zeit mit Nolen, und Marianne war zu schwach, um sich abzuwenden. Ihr Gatte weinte, als Cyrus’ Mund und Hände ihn zitternd zum Höhepunkt brachten, während im selben Moment das Monster in ihn eindrang.
„Das hat Ihnen Ihr Gatte angetan, Marianne“, ächzte Simon, der vor Lust aufkeuchte, als er seine Hüften gegen Nolens Körper presste. „Sagen Sie ihm, wie sehr Sie ihn dafür hassen.“
Sie fand ihre Stimme wieder und flüsterte ein schwaches „Nein.“ Obwohl sie ihn verachtet hatte, liebte sie ihn. Siewürde nicht zulassen, dass er in dem Glauben starb, sie hätte ihn verspottet. Ihr Blick hing noch einen Moment an Nolens Fingern, die vergebens auf dem glitschigen Marmorboden nach Halt suchten. Dann schlossen sich ihre Augen.
Als das Leben langsam ihren Körper verließ, wünschte sich Marianne, dass sie die Kraft hätte, um ihre Freude hinauszuschreien. Bald würden sie beide aus dieser Welt scheiden, zu Tode gefoltert in den Händen dieser Monster. Und dann war sie frei von diesem Schmerz, der viel schlimmer war als alles andere. Sie musste nicht mehr in dieser sterbenden Hülle auf der Erde wandeln, sie musste nicht mehr zusehen, wie sie sich in den Augen ihres Gatten von einer begehrenswerten Frau in eine unberührbare Märtyrerin verwandelte.
Ich musste es Nathan sagen. Der Gedanke schreckte mich auf, vor allem, weil er mir glasklar durch den Kopf schoss. Ich wusste sofort, wo ich mich befand und was vor sich ging, aber wo war ich gewesen? Ich hatte alles gesehen, aber es war nicht ich selbst gewesen. Marianne hatte wirklich meinen Körper übernommen. Als sie nun in der Vergangenheit starb, entglitt ihr die Kontrolle.
Mit aller Konzentration gelang es mir, mich ein wenig von ihrer flackernden Seele abzulösen. Schmerz hielt mich wie ein Netz aus silbernen Fäden, doch ich kämpfte mich durch sie hindurch. Es war, als müsste ich in knietiefem Wasser rennen, aber der Kampf lohnte sich. Ich konnte Geräusche aus meiner eigenen Zeit hören, und zwar Bella, die mir befahl, nicht länger dagegen anzukämpfen.
„Es ist wichtig.“ Ich erkannte meine eigene Stimme nicht. War es Mariannes Stimme, oder war ich immer noch Marianne, die Carries Stimme nicht kannte? Wo endete sie? Wo begann ich?
„Ich möchte sterben.“ Nun spürte ich den Teppichboden unter meinen Knien, gleichzeitig lag ich mit dem Rücken auf kühlem Marmor. Ich schüttelte den Kopf. Nein, ich schüttelte Mariannes Kopf, und sie schüttelte meinen. Ich richtete mich auf wackligen Beinen auf, während sie sich daran freute, wie kräftig meine waren. „Nolen, ich möchte sterben.“
Wir waren allein im Speisezimmer des Souleaters. Nathans Bett stand nun dort, und er war mit Handschellen daran gefesselt. Aber in seinem Gesicht war keine Spur des Wahnsinns zu sehen, der ihn gequält hatte.
Ich berührte ihn mit Mariannes Hand, spürte seine Haut in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort. Sein Hals zuckte, als er schluckte, und eine Träne lief ihm über das Gesicht. „Ich will dich nicht wieder töten. Ich muss dich immer töten, wenn ich die Augen schließe.“
„Du kannst mich nicht länger bei dir behalten. Es tut weh, wenn ich in diesem Körper bin.“ Hatte ich das gesagt, oder war sie es, die sprach? Redete sie von der Vergangenheit oder von dem, was sie gerade durchlebte? „Es hat so wehgetan, Nolen. Du hast meine Gebete erhört. Du hast mir den Tod geschenkt. Nun lass mich gehen.“
In der Vergangenheit
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