Besessen
hatte eine Geisterhand sich um Mariannes Handgelenk gelegt, während sie die Hand nach ihrem Gatten ausstreckte, um ihn zu befreien. In der Gegenwart hielt Max meinen Arm zurück, als ich Nathan die Fesseln abnehmen wollte.
„Lass sie“, drängte Bella, und dann war Nathan frei.
Erst kämpfte er dagegen an, versuchte, den Wahnsinn zurückzuhalten. „Ich kann nicht. Ich will, dass du bei mir bleibst.“
„Du kannst mich nicht haben.“ Ich hörte meine Stimme, die mit einem weichen schottischen Akzent sprach. Es warMariannes Stimme. „Töte mich. Zum letzten Mal. Lass uns beide frei sein.“
Als er ihren Körper in seine Arme schloss, bekam ich fast keine Luft mehr. Als seine Reißzähne meinen Nacken durchbohrten, schrie sie seinen Namen.
Tränen liefen ihm über sein Gesicht, während er mein Blut trank. Dieser Teil gehörte unverwechselbar zu mir. Auch wenn Mariannes Seele meinen Körper kontrollierte, und mein Bewusstsein zwischen ihren Erinnerungen und Gedanken umherstrich, war es sein Blut, das er aus meinen Adern trank. Es musste ihm wie Hohn erscheinen, als er es schmeckte, aber dadurch erkannte er die Wahrheit und konnte sie akzeptieren. Egal, wie oft er diese Nacht wieder und wieder durchlebte, er konnte nicht ungeschehen machen, was er getan hatte, doch jetzt wusste er, dass er sich deswegen nicht schuldig fühlen brauchte.
Als ich starb, hauchte auch Marianne ihren letzten Atemzug aus, aber ich fiel aus größerer Höhe. Ihre Augen schlossen sich auf dem Boden von Cyrus’ Tanzsaal, ihr zweiter Tod war eine noch größere Erleichterung als der erste, und dieses Mal starb sie mit dem Namen ihres Mannes auf den Lippen.
Mit einem Ruck erwachte ich, als ihre Seele meinen Körper verließ, und ich zitterte heftig, da mir Nathan zu viel Blut ausgesaugt hatte. Seine Lippen lagen noch an meinem Nacken, aber er trank nicht mehr. Er küsste mein verwundetes Fleisch und weinte, wobei er mich an seinen harten Oberkörper presste.
„Sie ist tot“, hörte ich Bella sagen, und einen schrecklichen Moment lang dachte ich, sie meinte mich.
Nathan hob den Kopf. Er schaute mir in die Augen, und sein Blick wurde kalt. Eis legte sich um mein Herz. Ich war nicht die, die er wollte. Für eine Sekunde hatte er wieder seineFrau in den Armen gehalten. Jetzt war sie fort, und nur ich war ihm geblieben.
Allerdings musste ich ihm zugutehalten, dass er seinen Schmerz schnell maskierte. Er versuchte, für mich zu lächeln, und tat so, als ob er vor Freude weinte, weil er wieder mit mir vereint war. „Habe ich dir wehgetan?“
Mehr als du ahnst. Ich wusste nicht, ob meine Stimme meinen Schmerz verraten würde, deshalb antwortete ich nicht. Vorsichtig löste ich mich aus seiner Umarmung und versuchte aufzustehen.
Ich brach zusammen, aber Max fing mich auf. Statt mir ein paar aufmunternde Worte zu sagen, flüsterte er: „Ich hätte dich das nicht tun lassen dürfen.“
Auch er hatte es gesehen. Er hatte Nathans Enttäuschung gesehen, als er merkte, dass nur ich diejenige war, die in seinen Armen lag.
„Ich versorge Nathan, kümmere du dich um sie.“ Bella gab noch immer Instruktionen.
Ich wollte auf sie einprügeln, ihr das Gesicht zerkratzen oder sie anbrüllen, aber ich war zu schwach, und es war auch nicht ihre Schuld. Sie hatte versprochen, dass sie Nathan von dem Zauber des Souleaters befreien würde, und genau das hatte sie getan. Sie hatte nicht garantiert, dass ich dabei weder verletzt noch mich sonst irgendwie ausgebrannt fühlen würde.
Max hob mich vom Boden und trug mich ins Wohnzimmer, wo er mich auf die Couch legte. „Ich mach jetzt erst mal etwas Blut für dich warm.“
„Besser, du lässt mich gleich ganz ausbluten.“ Es sollte wie ein Witz klingen, doch die Vorstellung erschreckte ihn, das war deutlich in seinem Gesicht zu sehen.
„Sag das nicht. Du bist nur total durch den Wind nachdieser Tortur.“ Max drückte meine Hand. „Ich kann mir nicht vorstellen, was du gerade durchgemacht hast.“
„Es war die Hölle.“ Ich konnte kaum sprechen und musste husten, wobei etwas Feuchtes auf meine Lippen spritzte. Als ich es wegwischen wollte, sah ich, dass es Blut war.
Max ging in die Küche und machte dort einen schrecklichen Lärm. Er beeilte sich, als ob mein Leben davon abhinge, dass ich möglichst schnell Blut zu mir nahm. Wahrscheinlich war mein geschwächter Zustand sogar wirklich gefährlich. Aber es brauchte einiges mehr, um mich zu töten.
Die Dielenbretter im Flur quietschten, und
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