Besessen
herumgegangen, aber derartig platte Versprecher unterliefen mir gewöhnlich selten. „Das hab ich nicht gesagt.“
„Doch. Hast du. Ich kenne den Kerl kaum. Warum sollte ich seinen Namen unbewusst aus deinen Sätzen heraushören? Carrie, geht hier etwas vor, wovon du mir nichts erzählt hast?“ Max hob die Taschen auf und setzte sich wieder in Bewegung.
Das war auch gut so, denn ich war wie gelähmt vor Schreck über meinen Versprecher. Gott sei Dank reagierten meine Füße noch, und ich trottete neben ihm her. „Nicht direkt.“
Max stieß einen langen tiefen Pfiff aus. „Hast du mir ‚nicht direkt‘ erzählt, was vor sich geht, oder geht ‚nicht direkt‘ etwas vor sich?“
„Ein bisschen von beidem.“ Ich blieb wieder stehen und sah ihn an. „Kurz bevor das mit Nathan passiert ist, hat er mich auf einen Traum angesprochen. Anscheinend hab ichim Schlaf Cyrus’ Namen gesagt.“
„Nathan hat dich wieder im Schlaf beobachtet?“ Ein weiterer Pfiff. „Das ist nicht gut.“
„Ich wusste, dass irgendwas los ist, aber diese schrecklichen Ereignisse konnte ich doch nicht voraussehen.“ Schweigend gingen wir weiter. Nach ein paar Schritten fiel mir der Traum im Flugzeug ein und seine peinlichen Folgen. „Da ist noch was.“
„Schieß los.“
„Im Flugzeug hab ich wieder von ihm geträumt.“ Ich starrte auf meine Füße, um Max nicht ins Gesicht zu sehen. „Als ich dich geküsst habe.“
„Das ist nachvollziehbar. Er ist dein Schöpfer und so.“ Erst ein paar Schritte weiter verstand Max wirklich, was ich gemeint hatte. „Warte mal, du dachtest, ich wäre Cyrus, nicht Nathan?“
„Ich habe geträumt. Ich kann nicht kontrollieren, was ich in meinen Träumen tue.“ Fühlte ich mich angegriffen? Ich brauchte ein heißes Bad und eine Erholungspause nach diesem anstrengenden Flug.
Zum Glück ließ Max das Thema fallen, als wir das Gebäude betraten. Die grellen Lichter und der blassgelbe Anstrich der Zollabfertigung schufen eine eher unfreundliche Atmosphäre, und die finsteren Gesichter der Polizisten mit den automatischen Waffen trugen auch zu keiner Verbesserung der Stimmung bei. Ich konnte nicht mal behaupten, meine Sachen selbst gepackt zu haben. Ich war so müde gewesen, bevor wir aufbrachen, dass ich das Max überlassen musste.
„Wohin hast du mich gebracht? Nach Kasachstan?“, flüsterte ich Max ängstlich zu, als ein Zollbeamter in meiner Unterwäsche stocherte. „Und warum hast du denn so viele Tanga-Slips eingepackt?“
Max grinste. „Warum besitzt du so viele Tanga-Slips?“
Nachdem wir abgefertigt waren und das Land legal betreten durften, scheuchte Max mich aus dem Flughafen zu einem Taxistand.
„Ein Privatjet, aber keine gepanzerte Limousine mit kleinen Fähnchen und Abholkomitee.“ Grummelnd zwängte ich mich in das europäisch dimensionierte Fahrzeug.
„Die Bewegung legt Wert darauf, keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen“, sagte er mit gedämpfter Stimme. Er reichte dem Fahrer eine bunte spanische Banknote. „ Plaza del Major, por favor.“
Madrid, soweit ich es durch die Taxifenster sah, hatte mit meinen Erwartungen von einer spanischen Stadt eher wenig gemein. An keinem der Wolkenkratzer, an denen wir vorbeifuhren, sah ich Terrakottafliesen. Plakatwerbung für amerikanische Waren wechselte sich mit Reklame für spanische Filme ab. Abgesehen von den enormen Agaven, die auf den Grünstreifen der Boulevards wuchsen, und den Straßenschildern, die ich nicht verstand, hätte ich in Chicago sein können.
Dann verließen wir den modernen Teil der Stadt. Die aufgemotzten Shops und beleuchteten Portale wichen dem Terrakotta und Stuckwerk, das ich mir vorgestellt hatte. Die Straßen waren hier unebener. Schmiedeeiserne Geländer umfassten kleine Balkone, von denen Geranien quollen. Wäsche hing zum Trocknen auf Leinen, die von einem Gebäude zum anderen gespannt waren. Als wir in einen holprigen Durchgang einbogen, dachte ich, wir nähmen nur eine Abkürzung, doch das Taxi hielt an.
Die Gasse war so schmal, dass wir nur eine Tür öffnen konnten, um auszusteigen. Max zerrte eben die letzte Tasche vom Rücksitz, als der Fahrer auch schon Gas gab und dasTaxi fröhlich über die Pflastersteine hoppelte.
„Sind wir … Wo sind wir hier?“, fragte ich und starrte in das Streifchen Himmel zwischen den Häusern rechts und links von uns.
„Er konnte uns nicht zur Plaza del Major fahren.“ Max sprach das mit leichtem Lispeln aus, wie Platha del Machor . „Die liegt
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