Besessen
verhungern, wenn kein Essen mehr da ist.“ Ihr Ausdruck war grimmig.
„Das wird nicht passieren. Und mir bestimmt nicht“, fügte er in einer Art Selbstversicherung hinzu. „Dein Leben hängt daran, vergiss das nicht. Du bist zu meiner Versorgung ausersehen.“
Beleidigt sah sie ihn an. „Ich habe nicht von dir, ich habevon mir gesprochen. Sie werden sich nicht um mein Überleben sorgen, nachdem sie mit dir fertig sind.“
Cyrus zog einen der zierlichen Stühle von dem Resopaltisch und setzte sich. „Und was haben sie nun eigentlich mit mir vor?“
„Ich weiß es nicht.“ Sie kaute auf ihrer Lippe. „Etwas Schlimmes.“
„Madam, Ihr Kombinationsvermögen erstaunt mich.“ Er schloss die Augen, sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Was er brauchte, war ein Plan, etwas von Wert, um mit den Fangs über Informationen zu verhandeln. Was er brauchte, war …
„Du bist merkwürdig. Wo kommst du her?“
Was er brauchte, war, dass Mouse aufhörte zu reden. „England. Bis vor Kurzem jedoch war mein Aufenthaltsort auf ein wässrig blaues Fegefeuer beschränkt. Ich kann mich an die Adresse nicht erinnern.“ Er hielt inne. „Warst du dabei, als sie das Ritual vollzogen haben?“ Ihr Blick wurde wieder leer und abwesend. Ihre Stimme kam nur flüsternd. „Ja.“
„Was haben sie getan?“ Cyrus zog einen weiteren Stuhl vom Tisch und bedeutete ihr, sich zu setzen. „Haben sie bestimmte Worte gesagt? Haben sie aus einem Buch abgelesen?“
Das tieftraurige Mädchen stand stocksteif da und starrte mit leerem Blick auf die Tischplatte. Auf der Oberfläche war ein Ring wie von einem Glas, den fixierte sie anscheinend. „Ich kann mich nicht erinnern.“
Mit aller Kraft kämpfte er seine Ungeduld nieder. Es nützte nichts, wenn er ihr Angst einjagte. Zumal sie gerade anfing, wie ein vernünftiger Mensch zu klingen. „Es ist noch nicht so lange her. Ich bin sicher, wenn du einen Moment nachdenkst, wirst du dich erinnern …“
„Ich erinnere mich nicht!“ Sie fuhr herum, stieß gegen einen Stapel schmutziges Geschirr, der auf der Arbeitsplatte auf bessere Zeiten wartete, und verteilte ihn über den Boden. Ihr Schreck überdauerte das Scheppern, das sie verursacht hatte. Sie stand da, ihr Gesicht eine Maske der Fassungslosigkeit, und starrte die Scherben auf dem Fliesenboden an.
Cyrus begriff, dass er zwei Möglichkeiten hatte. Entweder konnte er sie mit Wut und Ungeduld strafen und die letzten Fetzen Vertrauen, die sie noch hatte, zerstören – mitsamt seinen Chancen, etwas mehr über seine grässliche Situation zu erfahren. Oder er konnte sie ignorieren, bis sie ihren Schock überwunden hatte, und seine klägliche Energie für Wichtigeres aufsparen. Er entschied sich für Letzteres. Seine Erschöpfung holte ihn ein, er hatte weder die Nerven noch die Kraft, ihr Gewalt anzutun.
„Räum das auf“, sagte er beiläufig, erhob sich und ging zum Bett. Kraftlos legte er sich hin und zog die Decke über sich, aber es war schwierig, bei dem Sonnenlicht, das durch ein kleines, hochgelegenes Fenster den Raum erhellte, zu schlafen. Ganz zu schweigen von ihren dramatischen Schluchzern, die ihm in den Ohren dröhnten.
Kaum war die Sonne untergegangen, kletterten Max und ich aus dem Privat-Jet auf das immer noch aufgeheizte Rollfeld.
„Ich liebe diese Jahreszeit. Nicht zu heiß in der Nacht und nicht zu kalt. Wenn du je im Januar oder im Juli hier gewesen wärst, wüsstest du, was ich meine“, sagte Max voller Schwung und Energie, als er unsere beiden Taschen in Richtung des langgestreckten, futuristischen Flughafengebäudes trug.
Ich hatte den Tag über nicht gut geschlafen. Meine Träume waren voller vertrackter Symbole, die ich sicher nie entschlüsselnwürde. Der letzte Traum handelte von einem unheimlichen Gang durch den Wald, während ich unter jedem Arm ein Schwein trug. Ich war nicht in der Stimmung für Max’ Geplapper. „Wir sind hier nicht auf einem Vergnügungsausflug. Wir sind hier, um herauszufinden, was mit Cyrus passiert ist.“
Max blieb stehen und ließ die Taschen fallen. „Mit wem?“
„Mit Nathan.“ Ich blieb auch stehen und sah ihn wütend an. „Wir haben keine Zeit für unnötige Spielchen, geh weiter.“
„Du hast Cyrus gesagt. Wir sind hier, um herauszufinden, was mit Cyrus passiert ist. Genau das hast du eben gesagt.“
Mein Mund blieb für einen Moment offen stehen. Hatte ich das wirklich gesagt? Sicher, mein erster Schöpfer war mir in letzter Zeit heftig im Kopf
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