Besessen
des Untergrundlagers der Bewegung. Doch hier erhob der General die Bedeutung des Worts „kahl“ auf ein ungeahntes Niveau. Zwei kalte, rostfreie Stahlklappstühle waren das einzige Mobiliar. Die Leuchtröhren waren so grell, dass es wirkte, als glühte der Raum. Die Wände gingen unsichtbar in den Fußboden über, was den Eindruck vermittelte, man triebe in einer Leere.
Wie im Fegefeuer, nur mit Klappstühlen.
Max setzte sich neben mich und trommelte mit den Fingern auf seinen Schenkeln. „Wir sollen ihn nicht warten lassen, also müssen wir warten?“
Meine Nerven waren zu mürbe, um auf Max’ müden Sarkasmuseinzugehen. Ich war darauf eingestellt, dass der General ein hartes Geschäft werden würde. Schon die Art, wie Max und Anne von ihm gesprochen hatten, ließ Böses erahnen, ganz zu schweigen davon, dass er das einzige Stabsmitglied mit einem militärischen Rang vor seinem Namen war, von dem ich je gehört hatte.
Selbstverständlich versicherte Max mir weiterhin, dass alles bestens würde. Ich wünschte wirklich, ich könnte das glauben, denn als die Tür zum Büro sich öffnete, wollte ich sofort flüchten.
Mein Magen kehrte an seine richtige Position zurück, dafür fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Eine Frau, groß und schlank, von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder gehüllt, schritt durch die Tür wie ein Bond-Girl. Ihr tiefgoldener Blick glitt über uns hinweg, die leicht geweiteten Augen waren todernst. Das schwarze Haar fiel in einem perfekten hüftlangen Zopf ihren Rücken herab. Sie knurrte uns an, als sie vorbeiging.
Max’ Gesicht wechselte blitzartig in den Vampirfratzenmodus. Ober- und Unterkiefer verlängerten sich zu einer entfernt wildschweinartigen Schnauze mit tropfenden Eckzähnen. Er fauchte bösartig, dann kehrte mit der gleichen Geschwindigkeit sein normales Gesicht wieder. Die Frau schenkte ihm keine weitere Aufmerksamkeit. Als die Tür nach draußen hinter ihr ins Schloss fiel, sprang er auf und trat gegen den Stuhl. „Miststück!“
„Was war das denn? Schuldig geschieden?“
Nach Max’ Miene zu urteilen war mein Humor gerade nicht gefragt. „Diese verfilzte Hündin? Davon träumt sie.“
Ich hob die Hände. „Hey, ich kenne sie nicht, aber ich muss dir mitteilen, dass es meine Schwesternsolidarität weckt, wenn du eine Frau Hündin nennst.“
„Das ist sie aber.“ Anklagend wies er auf die Tür. „Eine stinkende Werwölfin. An dem Tag, als die Bewegung sie in den Führungsstab aufnahm, hätte ich meinen Abschied nehmen sollen.“
Morbide Neugier zwang meinen Blick auf die geschlossene Tür, durch die sie hinausgegangen war. „Was hast du gegen Werwölfe?“
„Was ich gegen Werwölfe habe, hat nichts damit zu tun, warum ich diese Bestie da verabscheue. Bella DeCesare. Sie ist eine echte – ein echtes Miststück.“ Sein kurzes Zaudern verriet das Zugeständnis an meinen Protest. „Breton verschafft ihr alle Arten von Privilegien, lässt sie überall hinfliegen, weil sie sein einziger Killer ist, der normal reisen kann. Er sagt, der Grund dafür ist, dass sie die höchste Abschussrate aller Werwölfe in der Bewegung habe. Ich sage, er bumst sie.“
„Reizend.“ Ich erinnerte mich, dass Cyrus mir von Lupiden erzählt hatte und wie sie auf ihre primitiveren Cousins herabsahen. So, wie er Werwölfe beschrieben hatte, war in mir ein Bild von haarigen, halbmenschlichen Biestern entstanden, die durch die Wälder sprangen und unschuldigen Campern auflauerten.
Die Frau, die ich gerade gesehen hatte, war alles andere als ein primitives Tier. „Ach, dann spielen sie also auf unserer Seite. Es gab ein paar Lupiden in Cyrus’ Haus, aber ich war nie ganz sicher, wer genau dazu gehörte.“
Ein Ausdruck extremen Abscheus zog über Max’ Gesicht. „Sprich nicht von ihm. Sein Name sollte in unserer Konversation tabu sein. Jedenfalls, Bella ist keine Lupide, sie ist eine Werwölfin. Das sind keine austauschbaren Begriffe, da kannst du beide Seiten fragen.“ Er klang allerdings, als wäre ihm der Unterschied keinen Pfifferling wert. „Sie sind nicht so verschieden, wie die Lupiden es gern hinstellen. Aber Werwölfesind immer noch an Erde und Mond gefesselt. Vor hundert Jahren gab es eine Rudelkonferenz, wo sie sich trafen, um die Manipulation ihres Zyklus zu diskutieren …“
„Moment“, unterbrach ich. „Wir reden hier vom Verwandlungszyklus eines Werwolfs und nicht von Menstruation, richtig?“
„Ja. Und lass uns dieses Wort auch gleich auf die
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