Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
Vom Netzwerk:
schreiben. Weder Nat noch Hannah waren auch nur im Ansatz kreativ; sie machten daher einen solchen Wirbel um meine Entwürfe, als seien die einzigartig auf der Welt. Sie traten an meinen Schaukasten heran und bestaunten meine Stickereien und Applikationen und den Stoff, den ich per Hand mit einem Blattdesign bedruckt hatte. Ich sah Merlin, der alle Umstehenden um gut zwei Köpfe überragte, und wartete auf eine Gelegenheit, um zu ihm hinübergehen und mit ihm sprechen zu können.
    Und dann schien sich alles wie in Zeitlupe abzuspielen. Merlins Mum kam durch die Glastür, die Hand schützend um die Schultern eines Mädchens gelegt. Ich sah sie nur von hinten, aber mir fiel sofort der bewundernde Ausdruck auf Merlins Gesicht auf und mir wurde schlecht vor Eifersucht. Zu gerne wäre ich selbstbewusst zu ihnen hinübergegangen, hätte mich zwischen sie gestellt, doch etwashielt mich davon ab und ich blieb wie angewurzelt stehen und beobachtete sie. Die Haare des Mädchens waren glatt und hatten beinahe den gleichen Rotton wie meine und sie trug einen Knautschsamtmantel, der meinem, einem Original, das ich selber entworfen und genäht hatte, ähnelte. Stilmäßig waren beide Mäntel nahezu identisch, bis hin zu dem handbestickten Saum. Ich hörte nichts von dem, was die Leute zu mir sagten, bis jemand mit der Hand vor meinem Gesicht herumwedelte.
    »Tut mir leid, ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.«
    »Sobald sie Merlin sieht, schwebt sie in anderen Sphären«, scherzte Nat.
    Ich versuchte, mich ganz normal zu geben. »Das stimmt doch gar nicht. Kein Typ wird es je schaffen, sich zwischen uns zu drängen   … oder?«
    »Es haben sich viele Leute positiv über deine Arbeiten geäußert«, versicherte mir Hannah. »Eine Frau meinte sogar, dass sie so kunstvolle Stickereiarbeiten seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen hat.«
    »Wirklich? Ist wahrscheinlich ein Kompliment, vor allem, wenn sie etwa hundert war.«
    »Junge Damen verstanden sich zu jener Zeit aufs Sticken«, spöttelte Nat. »Sie konnten auch Pianoforte spielen und mit Büchern auf dem Kopf und raschelnden Petticoats gehen   …«
    Das Mädchen flirtete jetzt schon mit Merlin   – ganz ohne Frage. Machte sich regelrecht an ihre Beute heran, wie sie da so mit ihren glänzenden Haaren spielte. Verdammt. Gerade hatte ich Nat und Hannah noch erzählt, dass siemir immer wichtiger sein würden als jeder Mann, aber Merlin wurde nun einmal gerade bei lebendigem Leibe aufgefressen. Ich musste etwas unternehmen.
    »Ich sollte jetzt mal zu Merlin rübergehen und ihm Hallo sagen. Danke für eure moralische Unterstützung.«
    Hannah verdrehte die Augen. »Heißt das, du servierst uns jetzt ab?«
    »Natürlich nicht   … es ist nur, dass ich ihm versprochen habe   …«
    Nat drückte liebevoll meinen Arm. »Wahrer Liebe würden wir niemals im Wege stehen wollen   … geh nur zu ihm.«
    Sie schubsten mich in Merlins Richtung und ich betete insgeheim, dass er mich nicht in Verlegenheit bringen würde. Wir waren ja noch immer in der heiklen Phase, in der man sich der Reaktion des anderen nicht sicher ist. Doch meine Gebete wurden erhört. Er sah mich schon, bevor ich bei ihm angekommen war, streckte die Arme nach mir aus und hüllte mich in eine Umarmung, die mir schier den Atem nahm und alles sagte: Hierher gehöre ich und Merlin ist
mein
Freund. Er strich mit der Hand leicht über meine Wange und küsste mich vor allen Leuten. Ich stellte mich sogar auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was ziemlich peinlich war, aber ich konnte es nicht ändern. Ich musste mich gar nicht umdrehen, um den Gesichtsausdruck des Mädchens zu sehen, ich spürte auch so, wie ihre Augen mich versengten, ja, es fühlte sich an, als lösten sie einen stechenden Schmerz zwischen meinen Schulterblättern aus.
    Ganz bewusst kehrte ich ihr weiter den Rücken zu, griff gleichzeitig nach Merlins Hand und warf ihm heimlicheinen Blick zu, der sagen sollte: ›Lass uns allein woanders hingehen.‹ Er verstand den Wink und entschuldigte sich bei den anderen. Wir waren noch nicht zur Tür hinaus, da schlug er sich an die Stirn, als ob er etwas vergessen hätte, und machte auf dem glatten Boden eine Kehrtwende.
    »Katy, ich bin so unhöflich, ich habe ganz vergessen, dich vorzustellen. Das ist Genevieve Paradis, Mums neuster Schützling. Sie geht ab nächster Woche zu uns aufs College.«
     
    In meinem Kopf rauschte das Blut und mir war, als sei draußen vor dem

Weitere Kostenlose Bücher