Besessene
bist keine richtige Künstlerin, Katy, sonst wüsstest du, dass es unmöglich ist, ein Ölgemälde auf halber Strecke zu verändern. Das Gesicht auf der Leinwand ist immer schon meins gewesen.«
»Ich hab es doch gesehen«, insistierte ich, obwohl ich wusste, dass ich ihr damit in die Hände spielte.
»Du hast nicht mehr gesehen als ein paar Kleckse auf einer Leinwand … eine Idee, die noch nicht ausgeformt war. Du hättest dich so gern darin erkannt und deshalb hast du es dir eingebildet. Aber sobald Merlin die Details ergänzte, war es mein Gesicht.«
»Glaub, was du willst, Genevieve.«
Abrupt blieb sie vor mir stehen, sodass auch ich stehen bleiben musste. »Das Bild ist schon seit vielen Wochen fertig«, flüsterte sie und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie musste meine Verunsicherung spüren, denn sie lächelte noch breiter. »Selbst als Merlin noch mit dir zusammen war, wollte er nur mich.«
Sie öffnete die Faust, spitzte die Lippen und tat so, als ob sie eine Pusteblume von ihrer Hand pusten würde. »Jetzt ist die Sache beinahe abgeschlossen – und jeder ist an seinem Ort.«
Und damit ging sie davon, ohne sich noch einmal umzusehen.
Luke hatte den Kopf unter die Motorhaube gesteckt und bastelte an seinem Auto herum, als ich die Straße herunterkam. Es war in dieser Woche schon zum zweiten Mal nicht angesprungen.
»Du siehst aus, als ob es dir die Petersilie verhagelt hätte«, sagte er grinsend.
»Und du klingst wie meine Mutter«, brummte ich böse. »Wenn du damit meinst, dass ich total genervt aussehe, dann sag’s doch einfach.«
Luke wischte sich die Hände an einem alten Lappen ab. »Muss ich erst fragen, warum?«
Ich zögerte. Ich hatte Luke noch immer nicht erzählt, was in seiner Abwesenheit geschehen war. Ich hatte Bedenken, wie er reagieren würde, aber für mich behalten konnte ich es auch nicht.
»Genevieve hat praktisch zugegeben, dass sie eine Mörderin ist. Es war, als wollte sie, dass ich es weiß … als wäre sie sogar noch stolz darauf.«
Luke schüttelte den Kopf. »Das könnte eine Warnung sein.«
Ich hob und senkte rasch die Augenbrauen, um die Stimmung etwas aufzulockern, und beschloss, Luke nicht die ganze Wahrheit zu verraten. »Und im Scherz hat sie gesagt, sie wolle mich die Collegetreppen runterschubsen.«
»Das ist nicht witzig, Kat.«
»Sie will immer, dass ich weiß, was sie gerade tut.«
»Das ist genau das, was mir nicht daran gefällt«, antwortete Luke besorgt. »Sie rückt dir zu nah auf die Pelle.« Luke sah beunruhigt aus und ich hatte das Gefühl, dass er sich in der ganzen Geschichte nicht mehr so wohlfühlte wie noch vor einiger Zeit. »Mir kommt es vor, als ob sie etwas ansteuern würde«, sagte er nachdenklich. »Ein Ultimatum oder so.«
»Vielleicht wäre das ja sogar eine Erleichterung«, antwortete ich. »Dann wäre endlich klar, was sie wirklich will … besser als diese ewige Ungewissheit.«
Er nickte zögernd, als ob er wüsste, was ich meinte, aber nicht besonders glücklich damit sei.
Ich schüttelte den Kopf und stieß einen tiefen Seufzeraus. »Das ist aber noch nicht alles, Luke. Merlin und Genevieve … gehen jetzt miteinander. Er war so niedergeschmettert über die Trennung von mir, dass er … na, mindestens eine Woche abgewartet hat, bevor er sich mit Genevieve zusammentat.«
»Das tut mir leid, Kat.«
»Mum hatte recht«, klagte ich. »Meine Eifersucht ist schuld daran, dass sich alles so entwickelt hat wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.«
»Aber Genevieve hat doch wohl ihren Teil dazu beigetragen, oder? Sie hat sich nun wirklich alle Mühe gegeben, Zweifel an Merlin in dir zu wecken.«
Ich klopfte mir auf die Brust. »Nein, der Zweifel saß in mir; das grünäugige Monster hat einfach weggenagt, was zwischen mir und Merlin war. Ich kann ihr wirklich nicht die
ganze
Schuld zuschreiben.«
Luke sah mich skeptisch an. »Sie hat dich manipuliert … und deine Schwäche ausgenutzt.«
»Aber dazu braucht man jemanden, der entsprechend reagiert. Mum hat schon recht: Wenn man jemanden liebt, muss man ihm seine Freiheit lassen.«
»Sehr weise«, stimmte Luke mir unbekümmert zu.
»Das ist das Gute an unserer Beziehung, Luke«, fügte ich noch hinzu. »Zwischen uns gibt es all diese Probleme nicht. Wir können uns sagen, was wir denken, und bleiben trotzdem Freunde. Freundschaften sind einfach besser als jede Liebesgeschichte.«
»Wenn du meinst«, murmelte er, aber seine
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