Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
lächelte. Dann wandte er sich an Rabbi Herzog, der hinter mir die Stufen heruntergekommen war. »Er hat sich doch brav gehalten, Rabbi, nicht wahr?« fragte er.
Rabbi Herzog nickte nur kurz und drängte sich, ohne zu antworten, an Papa vorbei zum Kalten Büffet. Die andern Männer, die auf dem Podium gestanden waren, folgten ihm eilfertigst. Papa nahm mich am Arm und führte mich gleichfalls zu dem Tisch. Er war in bester Stimmung, das merkte ich ihm an. Jetzt füllte er feierlich etwas Whisky in einen Papierbecher und reichte ihn mir. »Harry!« protestierte Mama.
Er lachte sie nur vergnügt aus. »Laß nur, Mary«, sagte er heiter, »der Junge ist jetzt ein Mann!«
Ich nickte heftig mit dem Kopf. Papa hatte recht. Ich nahm den Becher aus seiner Hand. »Prost!« sagte Papa. »Prost!« erwiderte ich.
Papa legte den Kopf zurück und stürzte den Whisky hinunter.
Ich machte es ihm nach. Er brannte wie Feuer auf dem Weg in meinen Magen. Ich begann zu husten und zu würgen. »Da schau nur, was du angerichtet hast, Harry«, sagte Mama vorwurfsvoll.
Ich sah Papa durch tränende Augen an. Er lachte. Ein zweiter Hustenkrampf schüttelte mich, und Mama zog meinen Kopf eng an ihre Brust.
3
Das Haus war mit Menschen überfüllt. Ich mußte Rexie in mein Schlafzimmer bringen und die Türe schließen. Menschenansammlungen machten sie immer nervös. Ich drängte mich auf dem Weg in den Keller durch die Menge, die im Wohnzimmer versammelt war. Mama hatte dort unten für uns Kinder ein Spielzimmer eingerichtet. Mein Onkel David rief mich zu sich. Er stand in einer Ecke des Zimmers und sprach mit Papa. Ich trat auf ihn zu, und er streckte mir seine Hand entgegen. »Viel Glück, Danny!«
»Danke, Onkel David«, sagte ich, mechanisch lächelnd. Er ergriff meine Hand und wandte sich an Papa. »Mir ist's, als wäre ich erst gestern bei seiner Beschneidung gewesen, Harry«, sagte er.
Papa nickte zustimmend.
Ich errötete ungeduldig, denn ich wußte genau, was er sagen würde, ich hatte dasselbe heute schon zwanzigmal gehört. Er enttäuschte mich denn auch nicht.
»Wie die Zeit verfliegt, was?« Onkel David nickte gleichfalls mit dem Kopf. »Und jetzt bist du ein so großer Junge.« Er griff in seine Tasche und zog eine Münze hervor. »Hier, Danny, das gehört dir.« Ich drehte die Goldmünze zwischen den Fingern -es war ein Zehn-Dollar-Goldstück. »Danke, Onkel David«, sagte ich. Er grinste. »Ein großer Junge«, sagte er. Und wieder wandte er sich an Papa. »Er wird dir bald im Geschäft helfen können, so wie mir mein Joel hilft.«
Papa schüttelte abwehrend den Kopf. »Für meinen Danny kommt das Geschäft nicht in Frage«, antwortete er entschlossen. »Mein Danny wird Akademiker. Er wird entweder Rechtsanwalt oder vielleicht Arzt, und wenn alles gut geht, werde ich ihm eines Tages eine schöne Praxis einrichten.«
Ich sah Papa überrascht an. Ich hörte zum erstenmal etwas von diesen Plänen. Ich hatte nie viel darüber nachgedacht, was ich werden wollte, ich hatte mich eigentlich nie darum gekümmert. Ein verschlagener Ausdruck trat in Onkel Davids Augen. »Natürlich, Harry, natürlich«, sagte er beschwichtigend. »Aber du weißt doch, wie schwer die Zeiten sind. Bitter, bitter! Und du mußt schwer genug kämpfen. Wenn Danny genauso wie mein Joel den Sommer über in deinem Geschäft arbeiten würde, was wär schon dabei? Gar nichts. Und du ersparst dir fünf Dollar in der Woche für einen Lehrling. Fünf Dollar sind fünf Dollar!« Er sah mich an. »Und Danny ist ein braver Junge. Ich bin überzeugt, er möchte dir ebensogern helfen wie mir mein Joel. Stimmt's Danny?« Ich nickte. Niemand sollte sagen, daß mein Cousin Joel braver ist als ich. »Sicher, Onkel David«, sagte ich rasch. Papa sah mich an. In seinen Augen war ein bekümmerter Ausdruck. Seine Lippen zitterten leicht. »Es ist noch Zeit genug, darüber zu sprechen, Danny«, sagte er langsam. »Die Ferien beginnen erst in einem Monat. Aber jetzt lauf hinunter. Die andern Kinder werden dich schon vermissen.«
Ich eilte auf die Treppe zu und ließ die Goldmünze in meiner Tasche verschwinden. Hinter mir hörte ich die Stimme Onkel Davids, der nochmals versicherte, daß es eine gute Idee sei und daß es mir nicht schaden werde.
Auf der Stiege blieb ich stehen und sah in das Spielzimmer hinunter. Mama hatte Wände und Plafond mit Papierschlangen ausgeschmückt, und es sah sehr lustig und festlich aus. Aber die Kinder waren ganz still. Oben sprachen die
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