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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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verscheuchen.»
    «Na ja», sagte Moritz.
    «Vergiss die Frauen, Moritz», sagte ich.
    «Ich bin nicht schwul», sagte Moritz.
    «Ja», sagte ich.
    «Wie geht’s W?», fragte Moritz.
    «Ja», sagte ich.
    «Bist du verliebt?», fragte Moritz.
    «Ja», sagte ich.
    «Wird es gefährlich?», fragte Moritz.
    «Nein», sagte ich.
    «Dann bist du nicht verliebt.»
    «Du kennst dich ja mit so was aus.»
    «Ja», sagte Moritz.

    Dann kam Jennys Neuer mit der Champagnerflasche und schenkte uns nach. Ein großer, haariger Bär mit feurigen Augen, ich tat mich schwer, ihn vom vorletzten zu unterscheiden. Und vom Vorvorletzten. Alle Jenny-Männer sind große dunkle Männer mit dunklen Augen; stell sie nebeneinander, und du kannst es als spanisches oder argentinisches Mehrlingswunder verkaufen. Alle mit Haaren am Rücken, garantiert, Jenny hat mir einmal gestanden, dass sie auf Haare am Rücken steht, aber Jenny mag auch Tiere gern. Der Neue ist ein bisschen slicker als die letzten paar, gepflegter, auf unaufgeregte Weise gut angezogen, charmant. Er trug eine Jeans, dazu eine edel abgetragene, aber sichtbar teure Vintage-Lammfelljacke und eine rehbraune handgestrickte Haube, die sowohl mit der Jacke als auch mit seinen Augen harmonierte. Hat ihm garantiert Jenny geschenkt. Jenny versuchte, cool und normal zu wirken, während der Neue einschenkte und freundlich mit ihren Freunden parlierte, aber die Euphorie brach aus ihren Augen, floss über das Dach, tropfte hinunter auf die Straße. Es machte mich froh, sie wieder einmal so zu sehen, Jenny im Glück: endlich der perfekte Mann, endlich der Eine, endlich der Mann fürs Leben, endlich alles gut. Es wird nicht lange halten.

    Er war schon dagewesen, als ich aufs Dach gekommen war, über die steile Gittertreppe von Jennys kleinem Balkon aus, und kaum hatte uns Jenny vorgestellt, warnte er mich, während er mir Champagner einschenkte, schon launig vor dem gefährlichen Abgrund hinter der niedrigen Mauer, die das Dach begrenzt. Als sei nicht ich schon ewig mit Jenny befreundet, als hätte nicht ich auf diesem Dach schon viele Feste gefeiert, sondern er. Als wäre nicht er der Neue. Als wohne er schon hier, als sei er bereits der Hausherr. In mir schrillte der erste Alarm. Natürlich hat das mit Jenny zu tun, die ihren Männern so ungeniert das angenehme, einnehmende Gefühl von Zugehörigkeit gibt, das Gefühl, bei ihr zuhause zu sein, alles zu teilen, Bett und Raum und Dinge und Interessen und Arbeit und Freunde, mit ihrer warmen, fast arglosen Vertrauensseligkeit. Er sah schon, wie sich sein materieller und ideeller Besitz mehrte, er sah sich schon den aufgeklärten Pascha geben, in dieser Wohnung und auf diesem Dach, er sah sich schon die Zimmer neu einrichten, seine Sachen zwischen, vor, anstelle von Jennys Sachen zu stellen und dies und das umzubauen, mit seinen Händen und nach seinem Geschmack. Ich sah schon seine Entmännlichung, zwischen all dem Geld und den Sachen von Jenny. Er küsste Jenny auf den Mund, etwas schüchtern noch, seine haarige Hand noch unsicher etwas oberhalb ihres Hinterns. Das wird schon. Nächste Woche sieht das schon ganz anders aus. Nächste Woche langt der schon ganz anders hin, wesentlich zugehöriger, sehr viel besitzstolzer, die Wette gilt.

    Jenny, paar Tage davor, am Telefon: Es ist so eine Erlösung.
    Ich, im Atelier, Beine auf dem Schreibtisch: Kann ich mir vorstellen.
    Konnte ich nicht. Jede von Jennys Beziehungen ist mir ein Rätsel, jeder von Jennys Männern bleibt mir fremd, mit keinem noch hatte ich mehr Gesprächsstoff als Wie-geht’s und Ja-gerne-ein-Glas-ist-noch-drin. Doch, stimmt nicht, mit einem, mit Daniel, mit dem konnte ich, aber kaum hatte ich mich eine Viertelstunde oder so gut mit ihm unterhalten, wurde er schon wieder abgelöst. Dieser Daniel litt, erklärte man mir, unter dem Makel der Verschwendungssucht, ein Problem, das sie mit dem Neuen zuverlässig nicht haben wird, der hält an sich, das ist einmal sicher. Ich habe damals überlegt, Daniel anzurufen, ließ es dann aber. Er rief mich an, klingelte am Atelier und griff mir, als ich ihn hereinließ, noch vor dem Hallo zwischen die Beine. Ich habe es Jenny nicht erzählt, obwohl es ihr vermutlich einerlei gewesen wäre; sie hatte ihn längst überwunden, ausgestrichen, war schon mit dem Neuen beschäftigt, voller Glück, strahlend, endgültig.
    Wie immer. Und als wär’s jedes Mal der Erste und der Letzte. Ich beneide sie darum. Jennys Neue kommen und verschwinden wieder.

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