Besser
Es gibt nie einen echten Krach, nie ein Drama, Jenny präsentiert sie, ist ganz Leidenschaft und leidet dann ganz, eingedunkelt vom schaurigen Schatten der Ahnung, dass sie sich wahrscheinlich nie wieder richtig verlieben wird können. Das dauert ungefähr drei Tage. Dann kommt der Nächste, der offensichtlich schon vor der Tür gewartet hat, weil, wo nimmt sie die sonst immer so schnell her? Der Eine wird vom Nächsten abgelöst, kaum ist einer weg, legt schon der Andere schüchtern seine behaarte Hand auf Jennys Arsch. Es ist ihr spezielles Talent, ein Talent, das mir nicht vergönnt ist. Ich beobachte und studiere es mit großen Augen, mit maximaler Bewunderung, nicht gänzlich frei von Neid. Was ist das genau? Wie lebt man so? Sitzt das auf den Chromosomen, bringt einem das eine richtige Mutter bei, lernt man das beim Yoga? Jenny ist durchtränkt von einer sympathischen Unwiderstehlichkeit, jeder will sie kennenlernen, jeder mag sie sofort, stell sie in eine Menge und sie zerfließt wie warmer Schokoladenpudding zwischen den Leuten. Jeder will mehr von ihr, will ihr glucksendes Gelächter, ihre Meinung, ihre Zustimmung. Sie ist ein blondes, sonniges, unkompliziertes Yoga-Mädchen, wie es jeder gerne um sich hat, wie es jeder als Freundin haben will. Manchmal habe ich Angst vor ihr, und ich schäme mich für diese Angst. Sie ist mir fremd, und sie wird es bleiben. Sie hält mich für eine Freundin, aber es ist etwas fremd zwischen uns. Ich mag sie, ich bin gern mit ihr befreundet, und ich wäre ihr gern näher, so nah, wie sie glaubt, dass wir es sind. Ich will Menschen wie Jenny um mich haben, in der Hoffnung, es färbe etwas auf mich ab, ich könnte ein bisschen so werden. Aber ich kann es nicht, und ich bin nicht wie sie, und ich versuche, diesen Makel zu verstecken, weil ich sie gernhabe. Sie ist ja auch klug und ehrgeizig, nicht nur sonnig und blond, und Adam sagt, er weiß nicht, was ich habe, so verschieden seien wir doch gar nicht, Jenny und ich. Er hat doch keine Ahnung. Dieser Daniel hat es gesehen, sofort gecheckt: dass ich die Frau bin, der man einfach zwischen die Beine greift, noch vor dem Hallo, die man in eine Ecke drängt, der man die Zunge in den Hals steckt, den Rock über die Hüfte reißt und in die Möse fährt, noch bevor man ihren Nachnamen kennt und ohne dass man je über ihre Hobbys und ihre Kinder, ihre Träume, ihren Geburtstag und ihre Lieblingssongs wird reden müssen. Ich bin die Frau, die sich das gefallen lässt, die Frau, mit der man das machen kann, weil es in ihr steckt, weil sie es hat und weil sie es ja will. Ich bin die Frau mit der Vergangenheit, und manche Kerle spüren das. Männer wie Adam nicht. Kerle wie Daniel und Jennys Letzter schon.
Jenny vor zehn Tagen, am anderen Ende der Leitung, seufzend: Der ist es. Ich glaube, der isses jetzt.
Ich, während ich gleichzeitig im Laptop einen Schuhversand nach dem ultimativen Stiefel abscrollte: Da bin ich ja schon sehr gespannt.
War ich eigentlich nicht. Ich war in erster Linie erleichtert, dass sie den Letzten los war, dass er verschwunden war, hoffentlich für immer. Der Letzte war ein Irrtum, er passte nicht in Jennys Parade, aber Jenny hat es, glaube ich, gar nicht bemerkt, es war irgendein anderer Fehler, der sie an ihm störte, nicht, dass er ganz offensichtlich ein Psychopath war. Das ist ihr gar nicht aufgefallen, hat sie nicht gespürt und nicht gerochen, und bevor der Blondinen-Zauber aufhörte zu wirken, waren sie schon auseinander. War er weg, durch ein glückliches Wunder, das ihn beruflich ins Ausland geschickt hatte; Jenny braucht Nähe, eine Fernbeziehung ist nichts für sie. Sie weinte einfach drei Tage um ihn, das war’s. So rief er mich an, als er in der Stadt war, aber den ließ ich nicht einmal in die Nähe des Ateliers. Ich bin unvernünftig, verwegen und manchmal zu leichtsinnig, aber ich bin nicht suizidal. Und ich hoffe flehentlich, dass daraus keine Tradition wird, dass es Jennys Kerle danach bei mir probieren. Aber es wundert mich auch nicht, dass es diese beiden taten. Jenny hat tausend begehrenswerte Eigenschaften, die alle Männer lieben, und die ich alle auch gerne hätte und höchstens simulieren kann. Aber bei mir erkennen sie, wenn sie mich überhaupt bemerken, das eine, das ich habe: das Dunkel, nur für jene erkennbar, auf denen es ebenfalls lastet. Kerle wie Daniel und Jennys Letzter identifizieren es, spüren das. Und sie wollen es genauer wissen. Genau genommen rief mich der Letzte
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