Besser
Sixpacks. Das ist der Grund, nur das. Ich sage es ihm immer wieder, ich zähle ihm die Beweise auf, und er will sie nicht hören. Er ist noch nicht so weit. Jetzt noch nicht. Jetzt will er noch leiden wegen flachbrüstiger Frauen mit praktischen Haarschnitten, die Sneakers oder Ballerinas zu Röhrenjeans und kurzen T-Shirts tragen und alle immer ein bisschen wie Jean Seberg aussehen, als sie am meisten aussah wie ein hübscher, neunzehnjähriger Bursche. Jetzt will er sich noch einreden, dass er irgendwann, bald, eine von ihnen ganz traditionell heiraten und ihr zwei, drei Kinder und seine eigene gute Mutter sehr glücklich machen wird. Wird er nicht. Er wird seine Mutter sehr unglücklich machen, weil er irgendwann, vielleicht noch nicht so bald, einen netten Kerl heiraten und mit ihm ein nettes, dunkelhäutiges Kind adoptieren wird. Ich weiß das. Er weiß das auch, tief in seinem Unterbewusstsein. Da steht es irgendwo geschrieben. Er sieht schon die Zeichen. Er ist nur noch nicht bereit, sie zu lesen.
Wir trinken Gin Tonics und plaudern. Aktueller Wutpegelstand: null, stattdessen sanft wogendes Wohlgefühl. Nur Moritz schafft das bei mir.
«Wie läuft’s mit deinem Jahr?»
«Äh, was?»
«Dein frauenloses Jahr. Wie läuft es?»
«Immer noch sehr gut. Insofern, als ich keine Frau hatte seither.»
«Na bitte.»
«Aber sie werden langsam unruhig. Gestern hat mich die Schwester von einem Patienten im Flur brutal angerempelt.»
«Zufällig.»
«Nein! Mit Absicht natürlich.»
«Na, da schau her.»
«Danach hat sie mich wild beschimpft.»
«Das heißt, sie will dich.»
«Genau.»
«Super, wird ja. Die Weiber werden dir noch in Scharen nachlaufen, wart nur ab, spätestens im November, Dezember. Und im Jänner fährst du dann die Ernte ein.»
«Du machst dich über mich lustig.»
«Nein. Ich doch nicht. Wie wär’s übrigens, wenn du das nächste Jahr zum Jahr ohne Männer erklärst?»
«Wieso?»
«Wegen der Wirkung.»
«Ich bin nicht schwul. Und du nervst langsam.»
«Ja, Schatz. Ich weiß.»
«Ich kann es mir mit Männern wirklich nicht vorstellen. Absolut nicht!»
«Eh. Ist ja gut. Tut mir leid, ich hör schon auf.»
«Wo sind die Kinder?»
«Astrid holt sie heute ab und geht mit ihnen ins Kino, ich habe frei und kann heimkommen, wann und wie ich will.»
«Und da bist du bei mir? Wo ist denn …?»
«Damaskus.»
«Wundervoll.»
«Na ja, ich weiß nicht …»
«Für mich natürlich, entschuldige, Süße. Zwei Gin Tonics noch, bitte schnell!»
Moritz will genau wissen, was die Kinder gerade machen, was sie reden, er liebt die Kinder und findet sie wundervoll, wenngleich er meistens nichts dagegen hat, mich ohne sie zu kriegen. Sie sind süß und wunderbar und dann doch auch ein bisschen anstrengend. Ich würde lieber über einen anderen reden, Moritz ist der Einzige, mit dem ich darüber rede, aber ich erzähle Astrids Schwänke und Anekdoten aus dem Familienleben, alles, was er wissen möchte, was Juri wieder Lustiges gesagt hat und wie Elena sich mit ihrer besten Freundin stritt. Dass Adam viel zu tun hat. Was ich von Jennys Neuem halte. Nichts von dem Mann mit der Narbe, vor dessen Tür ich stand. Nichts von meiner sterbenden Schwester. Später vielleicht, nach dem Shoppen, wenn wir mit großen, steifen Tüten in einer anderen Bar sitzen und erschöpft weitere Gin Tonics trinken, dann vielleicht. Moritz erzählt mir von der Arbeit, er hatte Nachtschicht, und eine Patientin hat dafür gesorgt, dass er nicht viel Schlaf bekam.
Wir trinken unsere Gin Tonics aus und gehen nicht mehr sehr nüchtern in einen großen, teuren Designerladen um die Ecke, in dem Moritz die Verkäuferin um den Verstand bringt. Er ist nicht ungut, er ist nur genau. Er will sie nicht quälen, er will es nur ganz genau wissen, ihre Qual ist nur eine Nebenwirkung seines pedantischen Informationsdurstes. Moritz holt aus der Verkäuferin alles heraus, was sie je gelernt hat über Verkaufstechniken, Textilkunde und immer höflichen Umgang mit der Kundschaft, sie wusste gar nicht mehr, dass sie das alles einmal gelernt und im System gespeichert hat, bis Moritz es in ihr wachgeküsst hat. Sie sollte glücklich sein. Stattdessen wird sie am Abend ihren Freundinnen bei zu viel Diskount-Prosecco, der ihr am nächsten Tag Kopfschmerzen und noch schlechtere Laune machen wird, erzählen, wie ihr heute ein Kunde den letzten Nerv gezogen hat, er sah ganz harmlos aus, aber. Moritz kauft schließlich mit seinem großen, alles
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