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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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Wahl, aber ich will Elena dem nicht aussetzen. Ich kann diese Kinder nicht ändern, und sie können nichts für das, wozu sie gemacht wurden, aber ich werde Elena vor ihnen beschützen.

    «Lass uns doch noch diese andere Schule anschauen.»
    «Welche?»
    «Diese Privatschule.»
    «Hmm, ich weiß nicht. Ich würde sie lieber in eine öffentliche geben.»
    «Aber nicht in die.»
    «Aber in eine öffentliche.»
    «Warum? Weil du als reiches, in Privat- und Eliteschulen ausgebildetes Söhnchen großzügig die Meriten einer guten Ausbildung ausschlagen kannst? Weil du es ja erlebt hast und deshalb besser weißt? Oder lässt du dein Kind dein eigenes schlechtes Gewissen ausbaden, dass du Bildungsprivilegien hattest, die andere nun mal leider nicht haben?»
    «Das kann ich dir sagen. Weil ich auf meinen Privatschulen so viele Dreckslehrer hatte, die mit autoritären Methoden elitären Bildungsbürgermist in meinen Kopf hineinstopften, bis er mir zu den Ohren herauskam. Und weil ich weiß, was für Leute ihre verwöhnten Superkinder in genau diese Schulen schicken. Ich kenne das und ich will nicht, dass Elena so wird wie die.»
    Das ist für Adams Verhältnisse ziemlich aggressiv. Der Kampf wird härter, als ich vermutet hatte.
    «Aber du bist auch nicht so geworden. Und kannst du mit Sicherheit sagen, dass du wärst, wo du bist, wenn deine Eltern dich auf eine nette, schlechte öffentliche Schule geschickt hätten, in der achtzig Prozent der Schüler nicht Deutsch können?» Es macht Spaß, Altruist zu sein, wenn man nie auf die Gunst von Altruisten angewiesen war. Es ist leicht, multikulti zu sein, wenn man auf das Leben der Anderen, Fremden, gemütlich von der Terrasse des Eigentums-Dachlofts hinunterschauen kann. Ich will nicht, dass wir ausgerechnet unsere kleine Tochter da hineinschicken. Schon gar nicht, wenn wir nicht müssen.
    «Nein. Aber ich glaube nicht, dass mein Leben schlechter geworden wäre.»
    «Ich will jedenfalls nicht, dass wir es an Elena ausprobieren.»
    «Schreib’s auf die Liste.»
    «Verlass dich darauf.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Zwölf
    Moritz ist zu spät. Das gehört zur Moritz-Folklore. Moritz kommt zu spät. Moritz kommt immer zu spät, konsequent, zuverlässig, aus Prinzip. Ich sitze in einer kleinen Ledersitzecke in der edlen Hotelbar, in die er mich bestellt hat, und verfluche ihn. Gut, die Aussicht ist grandios, man sieht praktisch über ganz Wien und über den halben Wienerwald, und die sonnengelbe Deckeninstallation von Pipilotti Rist ist beeindruckend, aber ich war eh schon mal hier essen, mit Adam. Neben mir studieren reiche, alte Amis den Stadtplan. Südstaatenakzent, soweit ich das beurteilen kann. Man darf hier nicht rauchen. Ich lasse mich in die Lederbank rutschen, nehme kleine Schlucke von meinem Gin Tonic, höre den Amis zu und spüre das Missbehagen in mir hochsteigen, und wie Wut in das Missbehagen tropft. Immer ist Moritz zu spät. Und immer bin ich pünktlich. Ich weiß nicht, warum ich pünktlich bin, es muss etwas Genetisches sein. Aber ab jetzt komme ich auch zu spät. Ich schwöre, dass ich nächstes Mal später komme. Ich schwöre in dieser verschissenen Minute in diesem verschissenen Lokal in das verschissene Sofa hinein, dass ich viel später komme, so spät, dass Moritz auf mich warten muss. Dass Moritz einmal auf mich warten muss, endlich auch einmal warten muss, auf mich. Auf mich, auf die mit dem merkwürdigen Defekt, dass sie nicht zu spät kommen kann. Aber sie wird. Ich komme zu spät, nächstes Mal. Ich werde extra vorher einen Joint rauchen, damit Moritz auf mich warten muss, einmal auf mich warten muss. Zwei Joints. Ich werde nachher nicht sprechen können mit Moritz, nicht mit ihm shoppen, nicht mit ihm essen, nicht mit ihm trinken und ihm nichts von meiner sterbenden Schwester erzählen, egal, Hauptsache, ich werde zu spät gewesen sein. Ich werde dort mit ihm sitzen, benommen vor Bekifftheit, stumm vor Glück, ihn endlich einmal warten gelassen zu haben. Lange warten gelassen zu haben. Nächstes Mal. Nächstes Mal garantiert. Er wird warten, zehn, zwanzig, fünfundzwanzig Minuten lang, so wie ich immer.
    Jedes Mal. Noch kein einziges Mal, seit ich Moritz kenne, habe ich nicht gewartet. Mit Moritz befreundet sein, heißt warten. Mit Moritz befreundet sein wollen, heißt warten können. Ich kann nicht warten, ich habe in meinem Leben zu lange gewartet. Warten ist mir nicht zumutbar, ein richtiger Freund wüsste das. Das Warten drückt mir das Blut in den

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