Bestialisch
Bräunungsstudio verbracht oder Selbstbräunungscreme verwendet.
»Du siehst lächerlich aus«, fand ich.
»Ich fühle mich sicher. Rate mal, was angenehmer ist.«
Wir gingen in einen länglichen Raum mit gebohnerten Holzdielen, Wandteppichen und Vitrinen mit kleinen Plastiken, die präkolumbianisch aussahen. Die Möbel, ein geschmackvolles Sammelsurium, waren nicht wegen ihres Aussehens, sondern aufgrund ihrer Bequemlichkeit ausgesucht worden. Der Kamin mit dem schweren Eichensims war riesig. Der einzige Gegenstand, der fehl am Platz wirkte, war eine Rolle Klebeband auf dem Kaminsims.
»Die Wohnung gehört zwei schwulen Augenärzten, die Bauernkinder in Peru operieren oder sich in anderen grauenvollen Wohltaten ergehen. Ich habe mich hier für einen Monat eingemietet. Davor habe ich woanders gehaust, doch das Apartment musste ich aufgeben, weil du meinen portugiesischen Cousin verpfiffen hast.« Er zwinkerte mir zu. »Das war ziemlich clever, obrigado, irmão.«
»Wo ist Folger, Jeremy?«
»Diese Frau pisst wie ein Pferd, Bruder. Sorg dafür, dass mir nichts passiert, dann kannst du bald wieder dein Ding in sie stecken.«
Da ich Jeremy gut genug kannte, hatte ich nicht erwartet, Folger zu Gesicht zu bekommen.
Er klatschte voller Vorfreude in die Hände. »Dann kümmern wir uns jetzt mal ums Geschäft, Carson. Bist du bereit? Bereit für Sirius?« Wie ein hechelnder Hund streckte er die Zunge heraus.
»Du hast gewusst, dass Sirius ein Hund ist, nicht wahr?«
»Glaubst du etwa, Prowsie und ich hätten es miteinander getrieben? Das wäre für sie bestimmt der Höhepunkt ihres Lebens gewesen. Unglücklicherweise harmonieren unsere Sternzeichen nicht. Und was die Sterne anbelangt, gehe ich lieber kein Risiko ein.«
»Was ist passiert, Jeremy? Was ist Vangie zugestoßen?«
»Sie hatte eine Panikattacke. Ihre Nerven spielten nicht mit. Sie wollte abhauen, doch er hat schon auf sie gewartet. Oder jemanden geschickt.«
»Jim Day?«
»VERFLUCHT, ICH HABE DIESER BLÖDEN KUH GESAGT, SIE SOLL RUHE BEWAHREN!«
Ich verpasste ihm mit dem Handrücken eine Ohrfeige. Sein Kopf flog zur Seite, und er taumelte nach hinten und legte die Hand auf die Wange.
»Wag es ja nicht, Vangie noch mal so zu nennen«, drohte ich ihm. »Jedenfalls nicht in meiner Gegenwart.«
Er kniff die Augen zu und wurde sauer.
»Diesen Blick kannst du dir schenken«, sagte ich. »Sonst haue ich ab und du siehst mich nur noch von hinten.«
Er zog die Augenbrauen hoch, steckte die Hände in die Taschen und lächelte verlogen.
»Du hast also von Jim Day erfahren, Carson?«
»Obwohl Harry gute Arbeit geleistet hat, kann ich nicht behaupten, ich würde richtig durchsteigen. Wie ist das gelaufen? Wie und wann hat Day sich an dich rangemacht?«
»Ach, du meine Güte«, stöhnte er. »Du willst es also ganz genau wissen …«
KAPITEL 37
Folger hörte Stimmen und spitzte die Ohren. Um sie herum war es stockdunkel. Jeremy Ridgecliff war durch eine Dachluke gestiegen, hatte einen Holzbalken über den Kamin gelegt und an dem Balken einen Seilzug aus dem Eisenwarenladen befestigt. Anschließend hatte er sie in einen Klettergurt gesteckt und an einem Seil in den Kamin hochgezogen. Ihre Zehen baumelten ein Stückchen über dem Rauchfang. Ein leiser Luftzug wehte durch den verrußten Kamin und ihre Haare.
Einen Moment lang überlegte sie, ob sie hier wohl sterben würde, wovon auszugehen war, falls Carson etwas zustieß oder Ridgecliff sich aus dem Staub machte. Dann würde sie so lange hilflos an dem Seil baumeln, bis sie in diesem verrußten Schacht ihren letzten Atemzug tat.
Auf der anderen Seite hatte Ridgecliff über weite Strecken ziemlich besonnen und beherrscht gewirkt. Ganz schön kaltblütig für einen, der von einer Horde fuchsteufelswilder Polizisten gejagt wurde. Er benahm sich so, als wüsste er mehr als alle anderen. Oder vielleicht belegte dies auch nur, wie abgedreht er war. Bei Ridgecliff war ihr auch noch etwas anderes aufgefallen: Er war ein alter Mann, der im Körper eines Vierzigjährigen steckte, und führte sich gleichzeitig wie ein Teenager auf. Sehr befremdlich.
Wieder drangen die Stimmen zu ihr hoch. Carson kannte Ridgecliff. Die beiden Männer kannten sich, seit Carson mit Ridgecliff in der Klinik gesprochen hatte.
Und dennoch hatte sie den Eindruck, dass sie sich näherstanden, als er ihr gegenüber zugegeben hatte …
*
»Es geschah in dem Sommer, wo ich von der Highschool abging, Carson. Ein Jahr nach Vaters Tod. Ich
Weitere Kostenlose Bücher