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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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Sohn dieser schrecklichen Familie suchte, denken, der Typ hätte einen Dampfer bestiegen, wäre mitten auf dem Meer über Bord gegangen und spurlos verschwunden.
    »Was steht an, Shelly?«, fragte ich und steckte den Kopf durch seine Tür.
    »Cluff hat die Steuererklärungen von Ms Dora Anderson aufgetrieben. Sie hat nicht von Anfang an als Maklerin gearbeitet, sondern diesen Beruf erst später ergriffen.«
    »Und was hat sie vorher gemacht?«
    »Sie war Sozialarbeiterin in Newark. Ist schon eine Weile her, aber …«
    Eine halbe Stunde später befanden wir uns im Büro des Newarker Sozialamtes, das viel Ähnlichkeit mit dem Büro auf dem Revier hatte. Der Raum war vollgestopft mit Trennwänden, Aktenschränken und Schreibtischen. Eine Seite war abgeteilt und in mehrere kleine Büros und Besprechungsräume umgewandelt worden. Im Gegensatz zum Polizeirevier bestand die Belegschaft hier jedoch überwiegend aus Frauen, und es roch nach Parfüm, Handcreme und anderen weiblichen Düften. Auf den Schreibtischen standen mehr Familienfotos und deutlich weniger Aufnahmen von breit grinsenden Typen, die einen Fisch hochhielten.
    Man hatte uns an Jonnie Peal verwiesen, eine Frau zwischen vierzig und fünfzig, die beim Sprechen den Kopf neigte und alle paar Sekunden wegsah, als würde ihr jemand in regelmäßigen Abständen ein paar Worte ins Ohr flüstern.
    »Dora hat nur im Innendienst gearbeitet. Als Sachbearbeiterin erstellte sie hauptsächlich die Arbeitspläne und koordinierte für unsere Ansprechpartner die Termine. Soweit ich mich entsinne, hatte sie damals schon ihre Maklerlizenz und übte diesen Beruf an den Wochenenden aus. Irgendwann hat sie beschlossen, das Vollzeit zu tun. Wahrscheinlich hatte sie es satt, Arbeits- und Terminpläne zu erstellen. Und da sie als Maklerin auch mehr verdiente, war das nicht die schlechteste Entscheidung.«
    »Sie hatte also keinen Kontakt zu dem von Ihnen betreuten Personenkreis?«
    Ms Peal deutete mit dem Kinn auf mehrere geräumige Arbeitsnischen aus hohen grauen Trennwänden. »Tag für Tag saß sie am Arbeitsplatz vierzehn und versah dort ihren Dienst.«
    Ich blickte zu Waltz hinüber. Es kam nur äußerst selten vor, dass an den Schreibtisch gekettete Mitarbeiter sich Feinde machten, die sie später umbrachten und verstümmelten. Die Einzelfallbetreuer, die Leute auf der Straße, wurden gemieden, verspottet, verflucht, angespuckt und bekamen gelegentlich auch etwas ab, wenn sie zwischen die Fronten gerieten. Meistens sahen die Betroffenen überhaupt nicht ein, warum die Betreuer dort waren, und wollten auch keine Einmischung. Beziehungsstreits waren schlimm, und wenn es Kinder gab, wurde alles nur noch komplizierter. Obwohl die Eltern das Kleinkind manchmal tagelang im Dreck liegen ließen, brauchte ein Sozialarbeiter nur anzudeuten, dass sie es an der nötigen Fürsorge fehlen ließen, und schon eskalierte die Situation und es kam zu Gewaltanwendungen. Derlei Katastrophen waren Ms Anderson glücklicherweise erspart geblieben.
    »Das stimmt nicht«, meldete sich eine Stimme. »Dora hat nicht immer nur am Schreibtisch gesessen.«
    Wir drehten die Köpfe. Die Stimme gehörte einer zierlichen, aufgedonnerten Latina, die ein paar Meter weiter drüben an einem Schreibtisch saß und bis eben telefoniert hatte. Sie erhob sich. Ihr Telefon klingelte erneut. Wahrscheinlich läutete es in einem fort.
    »Wie bitte?«, fragte ich.
    Sie drückte auf eine Taste auf ihrem Telefon und kam herüber. »Ich bin Celia Ramirez und arbeite seit zwanzig Jahren hier. Dora hat gleich nach dem College beim Sozialamt als Einzelfallbetreuerin angefangen. Was, wie ich vermute, nicht so richtig funktioniert hat. Später hat sie im Archiv ausgeholfen und sich hochgearbeitet.«
    »Hat sie damals dieser Abteilung angehört? In diesem Amt gearbeitet?«
    Ms Ramirez deutete auf einen Anbau. »Nein, im Jugendamt. Haben Sie eine Ahnung, was man dort alles erlebt?«
    »Ja«, antwortete ich. »Ich kenne mich da leider aus.«
    Nachdem Ms Ramirez uns eine Wegbeschreibung gegeben hatte, gingen wir hinüber ins Jugendamt. Die Büroräume waren ganz typisch für eine Behörde: verglaste Kuben, Stühle, Schreibtische mit überquellenden Postkörben, Aktenschränke. Das Grauen, das in den Aktenschränken und Mappen landete, war mir bekannt. Bei manchen Kindern ging die Saat auf und sie wurden zu Serienmördern. Psychopathische Mörder werden nicht als solche geboren, sondern in der Kindheit dazu gemacht. Sie kommen aus

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