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Bestialisch

Titel: Bestialisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.A. Kerley
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Meinen Verstand. Die Entscheidungen, die ich traf. Die Richtung, die ich einschlagen wollte. Furcht, Schuldgefühle, Trauer, Selbstmitleid waren in den Hintergrund getreten. Nun spürte ich nur noch den Rausch der Jagd.
    »Was für einen Anzug trägt er wohl gerade?«, fragte Cluff. Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. »Ist er einfarbig? Oder hat er Nadelstreifen?«
    »Vielleicht einen Doppelreiher?«, warf Waltz ein. »Bei George Metesky hat das jedenfalls funktioniert.«
    Cluff runzelte die Stirn. »Metesky? Der verrückte Bombenleger?«
    »Das war 1956. Geschlagene fünfzehn Jahre hat er sein Unwesen getrieben. Da das NYPD keine einzige Spur hatte, wandte es sich an den Psychiater James Brüssel und bat ihn, ein Profil von dem Bombenleger zu erstellen. Brüssel konnte etwas über das Alter, die Herkunft und das Verhalten des Täters sagen … und er wusste sogar, dass der Bombenleger bei seiner Ergreifung einen Doppelreiher tragen würde.«
    Cluff legte mit erhobenen Händen Protest ein. »Sie wollen mir doch nicht etwa behaupten, dass das tatsächlich so passiert ist?«
    »Nein. Metesky wurde daheim verhaftet und trug einen Schlafanzug.«
    »Ha!«, rief Cluff.
    »Aber bevor er ins Gefängnis gebracht wurde«, schob Waltz nach, »zog Metesky den Doppelreiher an, den er immer trug.«
    Cluffs Blick wanderte von Waltz zu mir. Wieder hielt er die Hände hoch, doch diesmal wirkte es eher so, als wolle er klein beigeben.
    »Und sagt Ihnen Ihr Bauchgefühl auch, wie Ridgecliff diesen kleinen Ausflug finanziert, Ryder?«, wollte Folger wissen. »Wir haben alle Kreditkartendiebstähle überprüft, konnten ihn aber mit keinem in Verbindung bringen. Und ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten Tagen eine Bank ausgeraubt wurde. Es ist ja nicht so, als könnte er einfach irgendwo Geld ziehen und fünfzigtausend Dollar von seinem Konto abheben.«
    »Geld spielt für Ridgecliff keine Rolle, Lieutenant. Das besorgt er sich schon irgendwie. Er lässt sich einen richtig guten Schmu einfallen und zieht jemanden über den Tisch.«
    »Kann sich ein Geisteskranker innerhalb von ein paar Tagen einen richtig guten Schmu ausdenken?«
    »Wenn Sie an Ridgecliff denken, fällt Ihnen zuerst seine Geisteskrankheit ein und dann seine Intelligenz. Dabei sollten Sie genau andersherum verfahren. Er ist scharfsinnig, brillant, ein geistreicher Gesprächspartner und extrem charmant. Und da er über eine beachtliche Menschenkenntnis verfügt, weiß er auch, wie man Leute manipulieren kann.«
    »Dann besorgt sich dieser Klugscheißer also, was er will, und irgendwann gewinnt der Dämon Oberhand, und dann schlägt er wieder zu?«, fasste Folger zusammen.
    Ich nickte. »Ja, ich denke, genau so wird es ablaufen.«

KAPITEL 14
    Östlich vom FDR Drive kroch ein tätowierter Mann unter einen verkrüppelten Baum. Hinter ihm ging die orangene Sonne über dem East River unter und tönte das Wasser kupferfarben. Der Mann hatte sein Haupt kahl geschoren. Auf seinem nackten Oberkörper und den Armen prangten zahllose umgedrehte Kreuze, von Flammen eingerahmte Pentagramme und Augäpfel, aus denen Tränen quollen. Wenn er seine Haltung veränderte oder an dem von Beton eingefassten Ufer entlangging, konnte man das Spiel seiner stählernen Muskeln sehen.
    Jeremy Ridgecliff, der auf einer Straßenüberführung kauerte, observierte den Mann durch ein kleines Fernglas. Seit zwei Stunden verfolgte er den Tätowierten, analysierte seine Bewegungen, Gesten, Mienen, Tattoos. Ihm war aufgefallen, dass der Mann jedes Mal zusammenzuckte, wenn die Glocke der katholischen Kirche zur vollen Stunde schlug. Jeremy hatte beobachtet, wie er einen Flugblätter verteilenden Straßenprediger beschimpfte und gegen eine Tempelwand spuckte.
    Vor einer Stunde war der Mann schließlich hier gelandet, hatte sich auf den Boden gehockt und nachgedacht oder wie ein Roboter Push-ups und Sit-ups gemacht, bis auf seinen mächtigen Armen und Schultern die Adern hervortraten.
    Auf einem Touristendampfer auf dem Fluss ertönte die Bootspfeife. Der Mann reckte den Kopf, schaute zum Dampfer hinüber, fletschte kurz die Zähne und hing dann wieder seinen düsteren Gedanken nach. Jeremy fällte eine Entscheidung, überquerte den FDR Drive in westlicher Richtung und winkte ein Taxi heran.
    Unweit vom Times Square fand er ein grell erleuchtetes Kuriositäten- und Elektronikgeschäft, das Freiheitsstatuen aus Plastik, Postkarten, T-Shirts und billigen Hightech-Schnickschnack feilbot. Er stöberte

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