Bestialisch
Charles Ridgecliff«, behauptete Waltz.
Ich gab ihm das Foto zurück. Meine Hände zitterten. »Ich bin Carson Ryder.«
»Dann lassen Sie es mich mal anders formulieren: Meines Erachtens waren Sie die ersten einundzwanzig Jahre Ihres Lebens Charles Ridgecliff. Und wie heißt es bei Auktionen immer so schön: Höre ich ein Ja?«
Ich schloss die Augen. »Es ist nicht so, wie Sie denken. Es ist …«
»Sind Sie hier«, flüsterte Waltz ganz leise, »um die Ermittlung zu sabotieren, an die Wand zu fahren? Haben Sie dem Watcher wichtige Informationen gegeben?«
»Die Antwort auf die erste Frage lautet Nein.«
»Und wie beantworten Sie die zweite?«
Ich hielt Waltz’ Blick stand. »Ja.«
Waltz warf die Akte auf den Boden. Wie frisches Laub wirbelten die weißen Blätter durch die Luft. Er sprang auf, zog die Schultern hoch, ballte die Hände zu Fäusten. Sein Blick verriet mir, wie ungehalten er war.
»Raus aus meinem Haus. Sofort.«
»Ich will, dass Jeremy gefasst wird, Shelly.«
Er stürmte zur Haustür und riss sie auf. »Verflucht noch mal, Sie verschweigen, dass der von uns gesuchte Täter – ein Mann, der innerhalb einer Woche drei Frauen getötet hat – Ihr Bruder ist! Und dann stecken Sie ihm auch noch, dass wir wissen, für wen er sich ausgibt.«
»Ihnen habe ich das doch auch erzählt.«
»Weil Sie wahrscheinlich genauso krank sind wie Ihr Bruder und es Ihnen einen Heidenspaß macht, uns an der Nase herumzuführen. Verschwinden Sie aus meinem Haus. Sie dürfen heute Nacht noch mit einem Besuch vom NYPD rechnen. Und es wäre besser für Sie, wenn man Sie dort auch antrifft.«
Ich starrte in das kontrollierte Chaos des angrenzenden Zimmers. Mir schwirrte der Kopf. Jetzt blieb mir nur noch eine Trumpfkarte, die ich ausspielen konnte. Und dessen war ich mir auch nicht sicher. Vielleicht war die Schlussfolgerung, die ich in den vergangenen Tagen aus vielen kleinen Einzelteilen gezogen hatte, nichts als Schall und Rauch. Ich schaute Waltz in die Augen und legte meine Karte auf den Tisch.
»Sie haben sie gekannt, Shelly.«
Er zögerte einen Sekundenbruchteil. »Mann, ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Von Vangie. Sie wussten nicht nur, wer sie ist. Nein, Sie kannten sie auch persönlich. Sie waren mit ihr befreundet. Oder vielleicht sogar verwandt.«
»Was?«
»Das Video von LaGuardia. Sie haben sie aus der Menge herausgefischt, obwohl ihr Gesicht total verschwommen war und nicht mal ich sie erkennen konnte. Jedes Mal wenn wir uns über sie unterhalten haben, hatten Sie plötzlich ›einen trockenen Mund‹ oder verwiesen auf eine allergische Reaktion, die Ihnen die Tränen in die Augen treibt. Ja, kaum kam das Gespräch auf Vangie, standen Sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch und mussten sich schwer zusammenreißen.«
»Das ist doch lächerlich. Vollkommen abwegig.«
»Wenn Sie über Bernal und Anderson sprechen, verwenden Sie das Wort ›Opfer‹. Und wenn es um Vangie geht, dann sagen Sie ›Lady‹ oder ›Dr. Prowse‹.«
Waltz’ Gesicht färbte sich tomatenrot. »Hier geht es nicht um mich, sondern darum, dass Sie Informationen zurückge …«
»Vor drei Tagen, Shelly. Bei Macy’s. Sie standen in der Parfümabteilung und haben an einem Flakon gerochen, was Sie fast aus der Bahn geworfen hat. Nach Ihnen habe ich an dem Fläschchen geschnuppert. Der Duft kam mir bekannt vor, aber sicher war ich mir nicht. Deshalb habe ich meinen Partner gebeten, heute Abend zu Vangies Haus zu fahren und das zu prüfen. Das war ihr Parfüm.«
Fuchsteufelswild wedelte er mit dem Zeigefinger vor meiner Nase herum. »Versuchen Sie jetzt nicht, mit Ihren lächerlichen Anschuldigungen …«
»LÜGEN SIE MICH NICHT AN, SHELLY! Schauen Sie mir in die Augen und sagen Sie, dass Sie Evangeline Prowse nicht gekannt haben. SCHAUEN SIE MIR IN DIE AUGEN!«
Dazu war er nicht in der Lage. Stattdessen ließ er die Schultern hängen, was mir als Antwort genügte.
»Wenn Sie mein Geheimnis ausplaudern«, zischte ich leise, »bin ich erledigt, doch dann plaudere ich auch Ihres aus, und dann sind Sie ebenfalls am Arsch. Wenn die hohen Tiere vom NYPD erfahren, dass Sie eine persönliche Beziehung zu einem Opfer verschwiegen haben, zieht man Sie von dem Fall ab. Einfach so! Und dann haben Sie keine Chance mehr, Vangies Mörder zu schnappen. Keine Chance, Folger zu helfen. Ich weiß so einiges, Shelly. Folger ist noch am Leben. Mein Bruder hat mir eine Nachricht zukommen lassen und es mir versichert.«
Ich zog die
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