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Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
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fürchte, wir sind innerhalb sehr kurzer Zeit absolut zynisch geworden. Die, die draußen leben, meine ich.«
    Das ist wohl richtig, dachte Martin. Aber van Eyck? Brueghel? Es war der Traum, den er als Kind gehabt hatte, während er die meiste Zeit ohne seinen Vater hatte auskommen müssen, der ihm seltsame, wunderschöne Briefe von abgelegenen Orten des Planeten geschickt hatte. Tatsächlich war dieser Traum so exotisch, dass Martin sich seine eigene Fabelwelt erschaffen und dort gelebt hatte, an einem sprudelnden Bach im ländlichen England, umgeben von Bilderbüchern und wertvollen naturgeschichtlichen Werken. Und einer prachtvoll illustrierten Peter-Pan-Ausgabe.
    Doch nach dem Tod seiner Mutter und einer kurzen Periode in einer strengen »Public School«, wie die Engländer sie irreführend nennen - in Wirklichkeit ein privates Internat der Oberklasse mit kleinen Monstern in Schuluniform -, hatte diese Welt einfach aufgehört zu existieren und sich in die unerreichbaren Nischen seines Ichs zurückgezogen. Es war ein Reich, das schon bald derart verblasste, dass man es nicht wagte, jemand anderem Zugang zu gewähren. Und wem überhaupt?
    Bis der Mangel an Vertrautheit es endgültig versinken ließ. Als er sein Jurastudium begann, war es nicht mehr als eine Kindheitserinnerung und bestenfalls verwirrend.
    Der Bann wurde plötzlich gebrochen, als Lance eilig von draußen hereinkam. »Wir kriegen Besuch.«

 
    KAPITEL 38
     
    W o sind sie?«, fragte James. Martin bemerkte zum ersten Mal, dass James' rechte Hand zitterte. Als litte er unter der Parkinson'schen Krankheit.
    Außerdem wurde klar, dass James sich sein ganzes Leben vor diesem Moment gefürchtet hatte.
    »Den Geräuschen nach weiter nördlich als zuvor«, sagte Lance.
    »Richtig. Und du willst dorthin?«
    »Ja, und Max hat seine Hilfe angeboten.«
    Martin betrachtete seinen Chauffeur mit einer Mischung aus Sorge und Stolz. Er wusste etwas, das keinem der anderen bekannt sein konnte, es sei denn, Max hatte Lance gegenüber einige Einzelheiten seiner glorreichen Vergangenheit offenbart. Anstatt nur fremde Leute durch die Gegend zu kutschieren, hatte Max bei einer Spezialeinheit der Royal Marines als Scharfschütze gedient und dabei einen Dienstrang erreicht, der einem garantierte, im Kampfeinsatz getötet zu werden, wenn man sich nicht dazu entschloss, aus dem Dienst auszuscheiden, um einen besser bezahlten zivilen Job anzunehmen. Deshalb hatte er sich für eine Tätigkeit als Leibwächter entschieden, zuerst für einen Ölmagnaten in Ecuador, danach in London.
    »Das ist mir recht«, äußerte Max seine Zustimmung. Er zog ein Bowiemesser aus einer Scheide dicht über seinem Fußknöchel und einen Colt Kaliber.45 mit neun Kugeln aus einem Holster unter seiner Weste.
    Max lächelte. »Selbst wenn ich damit nur den kleinen Finger von jemandem erwische, ist er auf Dauer außer Gefecht.«
    »Welche Schuhgröße haben Sie?«, wollte Lance wissen. »Sie brauchen Stiefel. Das Gelände ist morastig und steil.«
    »Ich habe Laufschuhe, eine 9-Millimeter-Glock und eine M-16 im Kofferraum.«
    »Das lieben wir doch.«
    Edouard Revere blickte zu James, der in den Regen hinausstarrte. Es war ein Unwetter, das für diese Jahreszeit um einiges heftiger war als üblich. »James, was sollen wir tun? Du weißt, dass die Bruderschaft bereit ist, alles beizusteuern, was sie besitzt, nämlich den Hythlodae Trust, der gut fünfzig Millionen wert ist? Ehe ich herkam, habe ich die Spenden der anderen zusammengerechnet und bin auf zusätzliche zwölf Millionen gekommen. Aber damit kommen wir noch nicht einmal in die Nähe einer Milliarde.«
    »Edouard, wir müssen das Buch finden«, erklärte James entschlossen. »Und ich bete zu Gott, dass Margaret, die ich nie persönlich kennengelernt habe, uns helfen kann. Ich glaube, du kennst ihren Ruf auf dem Gebiet, von dem die Rede ist.«
    »Ja.«
    »Schön. Der Tag bricht an, Martin. Ich nehme an, dein BMW verfügt über ein Navigationssystem, denn die Straßen von hier nach Genf sind ein wenig heikel, zumindest die ersten fünfundsiebzig Kilometer, vor allem bei diesem Wetter. Aber du musst schnellstens den Flughafen erreichen und praktisch gestern schon wieder zurück sein.«
    Edouard ließ sich in einen wuchtigen Polstersessel sinken, der irgendwann im 16. Jahrhundert mit italienischer Seide bezogen worden und mittlerweile zerschlissen und wahrscheinlich von Würmern zerfressen war.
    »Buch?«, wollte Martin wissen. »Welches

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