Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
Monatsgehalt ausgegeben hat.
Für mich war klar, dass ich mit Leuten sprechen musste, die zumindest ansatzweise den Versuch unternommen hatten, in diesem Bereich zu forschen und zu arbeiten. Ich musste vor allem Vergleichsfälle finden, um Verhalten, das ich nicht selbst zuordnen konnte, erklären zu können. Kann ich nachvollziehen, warum sich jemand ein Loch in den Kopf schießt? Unter welchen Voraussetzungen? Was muss alles passieren, dass er so weit kommt, und warum vergiftet sich der eine Selbstmörder, der zweite hängt sich in einem Heustadel auf und schreibt vorher einen Abschiedsbrief und der dritte bringt sich so um, dass seine sterblichen Überreste nie mehr gefunden werden? Wenn es um Verbrechen ging, stellte sich für mich die Frage, warum der eine sein Opfer erschießt, der andere es ersticht und der Dritte sein eigenes Kind ertränkt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur Zeitungswissen. Ich hatte gelesen, was es für Verbrechen gab, aber ich besaß keine verifizierten Informationen. Ich wollte meinen Ansatz nicht durch neue Beobachtungen stören bzw. gefährden. Ich wollte die bisher gesammelten Erkenntnisse zusammenfassen, einordnen und für mich jederzeit greifbar unter einer bestimmten Logik abspeichern. Was mich zunächst nach außen trieb, wurde durch das Bedürfnis ersetzt, das Gesammelte zu erhalten – mit der einzigen Zielstellung, mehr Informationen über Verbrechen zu erhalten.
So kontaktierte ich unterschiedliche Leute, telefonierte, schrieb Briefe, versuchte Kontakt mit jenen aufzunehmen, von denen ich irgendwo erfahren hatte, dass sie sich nur ansatzweise mit einem ähnlichen oder gleichen Ansatz beschäftigten. Von meiner umfangreichen Tätigkeit kannte ich auch ein paar Polizisten in den Vereinigten Staaten und ich kontaktierte die amerikanische Bundespolizei FBI, von der ich nicht viel mehr wusste als tausend andere auch, die den Film „Das Schweigen der Lämmer“ gesehen hatten.
In diesem Film geht es sehr vereinfacht ausgedrückt darum, dass eine nicht ganz ausgebildete FBI-Agentin namens Clarice Starling in einem Hochsicherheitsgefängnis in Baltimore den brillanten Psychiater Dr. Hannibal Lecter interviewt, um an spezielle Informationen heranzukommen, die man braucht, um einen „Serienmörder“ zu fassen. In dem Film wird die Biografie dieser FBI-Agentin so dargestellt, dass sie Mitglied einer Spezialeinheit der amerikanischen Bundespolizei FBI werden will, in der es um die Erstellung sogenannter Täterprofile ging.
Da gab es noch einen älteren ergrauten Chef dieser Einheit, Jack Crowford, der davon sprach, sehr viele solche Interviews bereits geführt zu haben, um mehr vom Verhalten außergewöhnlicher Menschen in Erfahrung zu bringen. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich den Film sah, wusste ich nicht, dass es eine derartige Einheit überhaupt gab. Ich konnte mir grundsätzlich auch gar nicht vorstellen, mit Leuten zu sprechen, die vier, fünf oder noch mehr Menschen umgebracht oder kannibalistische Handlungen gesetzt hatten. Meine Kontaktierungsversuche über jene Personen, die ich im Rahmen meiner „Feldforschungsphase“ kennengelernt hatte, bestätigten mir jedoch: Diese Einheit existiert wirklich.
Es ist die Behavioral Science Unit, eine Art Verhaltensforschungseinheit bei der amerikanischen Bundespolizei. Ich schrieb, telefonierte, brachte Briefe zur Post, nützte jene Zeit, die ich früher für Beobachtungen und Aufzeichnungen verwendet hatte, um nun zahlreiche Menschen zu kontaktieren. Ich wartete wie eine Zecke, die Wochen, Monate, manchmal sogar Jahre auf ihrem Strauch sitzt, bis sie – dem Hauch der Buttersäure folgend – sich fallen lässt, um an das heranzukommen, was für sie lebensnotwendig ist – Blut. Wie eine Zecke harrte ich darauf, zum richtigen Zeitpunkt an jene Informationen heranzukommen, die mir all meine tausend kleinen Beobachtungen bestätigten, oder es sich herausstellte, dass sie unbrauchbar waren. Ich wartete und wartete. Meine Erkenntnisse waren bereits geordnet, meine vier Grundsätze vom bedürfnisorientierten Verhalten aus allen Richtungen beleuchtet, diskutiert und Hunderte Male überprüft. Es brachte alles nichts, ich musste an Tatorte herankommen.
Ich wartete. Ich war davon überzeugt, dass es funktionierte, und so wartete ich weiter.
13.
Jahre später, als ich begann, meine kriminalpsychologischen Erkenntnisse wissenschaftlich aufzuarbeiten, eine Dissertation darüber schrieb, bereits Mitglied in der Amerikanischen Akademie für
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