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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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Laub bedeckt und wies massive Schädelverletzungen auf. Drei verschiedene Holzprügel, die teilweise die Stärke einer Schneebegrenzungsstange hatten, welche im Spätherbst auf den Alpenstraßen eingesetzt werden, um den Schneepflügen den Verlauf der zugeschneiten Straßen zu zeigen, lagen verstreut um die Kinderleiche, teilweise abgebrochen, massiv blutverschmiert. Der Schädel des Kindes war vollständig zertrümmert und im Afterbereich konnte von den Rechtsmedizinern Sperma festgestellt werden, dessen Analyse eine Aussage darüber zuließ, dass es nicht vom gleichen Verursacher stammen konnte, der sein Sperma am Körper der 20-jährigen Frau hinterlassen hatte.
    Alle drei Tötungsdelikte waren zu jenem Zeitpunkt, als ich – mit großer Euphorie und Tausenden Beobachtungen, aber wenig theoretischem Rüstzeug in meinem geistigen Rucksack – in Wien eintraf, ungeklärt.

17.

    Fast jede Polizeidienststelle weltweit hat in ihrer Geschichte Delikte, die sich irgendwann zu einem kriminalistischen Supergau entwickeln. Es gibt Theorien, gute und schlechte Tatverdächtige, einmal mehr und einmal weniger Sachbeweise, Verdächtigungen, Unruhe in der Bevölkerung, aber im Endeffekt gibt es nur eine einzige Institution, die diese Fälle klären oder lösen kann: die Kriminalpolizei. Alle anderen Disziplinen, ob Toxikologie oder Rechtsmedizin, ob Biochemie oder Faserspezialisten, Ballistiker oder Verbrechensanalytiker und viele andere mehr – sie sind nur zusätzliche Hilfsmittel. In einem Fall können sie mehr zur Bearbeitung des Falles beitragen, im anderen Fall weniger. Wenn Delikte aber nach allen gängigen Methoden beleuchtet, untersucht und bearbeitet wurden, wenn sämtliche möglichen Verfahren eingesetzt wurden und nicht zum Ziel geführt haben, nimmt jeder vernünftige Kriminalist jede erdenkliche Möglichkeit wahr, um einen zusätzlichen Anhaltspunkt oder Ermittlungsansatz zu bekommen. Es ist eine Chance, die man erhält, und ich erhielt sie. Maximilian Edelbacher, der Leiter des Wiener Sicherheitsbüros, ein Mann mit Weltruf in der Kriminalistik, kam eines Tages mit den Aktenteilen dieser drei Morde in mein Zimmer, legte sie mir auf den Schreibtisch und ersuchte mich, meine Gedanken niederzuschreiben. Dann ging er auf Urlaub und stellte mir großzügigerweise noch sein Büro zur Verfügung … für die Dauer von zwei Monaten …

    Da saß ich nun im größten Büro der bekanntesten Kriminaldienststelle Österreichs, in meinem Dilemma, hatte bis jetzt nur ein paar Tatortbilder gesehen, rechtsmedizinische Bücher gewälzt und ein paar Obduktionsgutachten gelesen. Ich hatte Material, aber kein Werkzeug. Ich hatte viele Beobachtungen, aber keine Vergleichsfälle. Woher sollte ich wissen, was es bedeutet, wenn man ein kleines Kind erschlägt? Warum sollte man eine junge Frau an einem Baum anbinden? War es Absicht oder Zufall? Warum lag das eine Opfer auf dem Bauch und das andere wurde in sitzender Position aufgefunden? Warum war das kleine Kind mit Laub zugedeckt und vollständig bekleidet? War nun derjenige, der die 20-Jährige umgebracht hatte, auch der Mörder des elfjährigen Kindes oder hatte derjenige, der das elfjährige Kind umgebracht und am Stiegengeländer angebunden hatte, auch das neunjährige Kind erschlagen? Wer macht so etwas überhaupt? Wie habe ich mir eine Person vorzustellen, die den Kopf eines neunjährigen Kindes zu Brei zertrümmert?
    … Menschen, die komplexe Delikte begehen, haben keine gelben Augen. Sie kratzen nicht mit ihren Fingernägeln am Boden dahin oder haben ein Kainsmal auf der Stirne, auf dem geschrieben steht …
    Es war eine Chance, die ich erhielt, nicht mehr. Ich nahm meine Grundsätze zur Hand und begann zu arbeiten. Verhalten ist bedürfnisorientiert und das Bedürfnis ist individuell. Aktive Entscheidungen verändern die Umwelt. Mir fiel das Loch im Kopf des Selbstmörders ein und mir fielen die Schleifspuren im Gesäßbereich des 20-jährigen Opfers auf. Ich sprach mit dem Rechtsmediziner und erhielt die Auskunft, diese seien postmortal, also nach Eintritt des Todes entstanden. Das Opfer war also bereits verstorben und der Täter hatte es nachträglich zu jenem Baum gezerrt, an dem er es angebunden hat, in dieser degradierenden Art und Weise. Warum? Je tiefer ich in die Einzelentscheidungen hineinbohrte, desto mehr Fragen kamen zurück. Ich konnte das Verhalten nicht beurteilen, ich hatte noch kein Wissen darüber. Einige Kriminalisten meinten, dass derjenige, der das eine

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